Cohabitation

Die Ausstellung Cohabitation: Ein Manifest für Solidarität von Tieren und Menschen im Stadtraum bildet den inhaltlichen Schwerpunkt und die diskursive Grundlage des Projekts. Die Ausstellung fächert die Frage des Mensch-Tier-Verhältnisses in der Stadt anhand von drei Perspektiven auf, die die Entwicklungen von der Anthropocity über die Ecocity zur Zoopolis nachzeichnen. Über 30 künstlerische Positionen befragen das ambivalente Verhältnis zwischen Mensch, Natur und Tier im urbanen Kontext und eröffnen Perspektiven für die kritische Überprüfung der herrschenden Verhältnisse. Drei inhaltliche Vertiefungen kontextualisieren und erweitern die künstlerischen Arbeiten.

Mit Beiträgen von:

Cohabitation: Ein Manifest für Solidarität von Tieren und Menschen im Stadtraum

silent green Kulturquartier

Gerichtstraße 35, 13347 Berlin

Eröffnung: 4. Juni 2021, 18 Uhr

Laufzeit: 5. Juni – 4. Juli 2021

Öffnungszeiten: Di–So 11–19 Uhr

Der Hygienediskurs und die Wohnreformen Ende des 19. Jahrhunderts setzten dem engen urbanen Zusammenhang zwischen arbeitenden Menschen und Tieren ein Ende. Die Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse zwischen Menschen und Tieren wurden durch eine räumliche Trennung verschleiert: Massentierhaltung und Schlachtfabriken zur Versorgung der explodierenden städtischen Bevölkerung wurden an die Peripherie verlagert. Im Zuge der Herausbildung der bürgerlichen Familie und deren Praxis der Haustierhaltung entwickelte sich zudem eine bis heute gültige Hierarchie vom gehegten Heimtier über das Nutztier als Ware bis zum Wildtier als Repräsentanten der ungezähmten Natur, wobei das städtische Wildtier durchs Raster fiel, manchen gar als „entartet“ galt. Doch selbst Haustiere besitzen eine Handlungsfähigkeit, die weit über ihre von den Menschen zugewiesene Rolle hinausgeht. Die Stadt neu zu denken bedeutet daher, ihre anthropozentrische Konzeption zu überwinden.

Die Ökologiebewegung brachte alternative Ansätze hervor, die den Gegensatz zwischen Stadt und Natur aufbrachen. So forderte die in den 1960er-/70er-Jahren entstehende Stadtökologie die Anerkennung einer neuen Kategorie der Stadtnatur. Mit dem Wissen um ökologische Zusammenhänge wuchs jedoch auch das Streben, diese zu kontrollieren. Diese Vision künstlich herstellbarer Umwelten und kontrollierbarer Ökosysteme prägt bis heute unsere Vorstellung von der technischen Beherrschbarkeit der Klimakrise. Darüber hinaus dient die Instrumentalisierung und Kapitalisierung von Natur seit Beginn des Kolonialismus auch der Machtausübung über als „Andere“ markierte Menschen. Ein aktuelles Beispiel ist die Vereinnahmung des Naturschutzes durch rechte politische Akteur*innen, die das Leben von Tieren gegen das von rassifizierten Menschen ausspielen. Eine wahrhaft ökologische Stadt muss daher auch an der (Interspezies-)Machtfrage ansetzen, anstatt lediglich die bestehenden Hierarchien mit einem grünen Schleier zu kaschieren.

Theoretiker*innen wie Donna Haraway und Anna Lowenhaupt Tsing entwickelten in den letzten Jahrzehnten ein neues Bewusstsein dafür, dass der Mensch sich nur in der wechselseitigen Beziehung zu anderen Spezies entwickeln konnte. Erkennen wir unsere Abhängigkeit von ihnen an, brauchen wir neue Politikmodelle, die den Menschen nicht mehr über alles stellen, sondern die Bedürfnisse anderer Lebewesen einbeziehen und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Was das für den städtischen Raum bedeuten könnte, wurde bisher nur wenig reflektiert und noch seltener praktisch erprobt. Dabei könnte die Anerkennung nicht-menschlicher Lebewesen als Akteure, die die Stadt aktiv mitgestalten, neue Möglichkeiten eröffnen, Lebensraum jenseits von purer Verwertung, Spekulation und von Nützlichkeitsdenken zu gestalten: als einen Inter-Spezies-Raum, der die gegenseitige Abhängigkeit von Menschen, Tieren und Pflanzen berücksichtigt und dadurch eine erweiterte Idee von Gesellschaft und lebenswertere Städte für alle ermöglicht.

Aktuelle Termine und Tickets siehe unter den jeweiligen Abschnitten unten.

Die Veranstaltungsreihe Cohabitation Diskurs: Zoopolis Berlin bringt Berliner Akteur*innen aus den Bereichen Kunst, Architektur, Gestaltung, Stadtplanung und Ökologie mit internationalen Expert*innen und Künstler*innen ins Gespräch. Ab Juni 2021 eröffnen unterschiedliche Formate – Vorträge, Diskussionen, Interviews, Performances, Workshops und Filmscreenings – vielschichtige Zugänge zu den Fragestellungen des Projekts. Wie überwinden wir den anthropozentrischen Blick auf die Stadt? Wie können Architekturen und Städte jenseits reiner Verwertung für eine Vielzahl menschlicher und nicht-menschlicher Stadtbewohner*innen gestaltet werden? Wie können neue Politikmodelle aussehen, die die Handlungsmacht und Interessen nicht-menschlicher Akteure berücksichtigen? Wie können wir dabei neuen Formen der Kapitalisierung der Natur und der Instrumentalisierung des Naturschutzes durch rechte politische Akteur*innen entgegen treten, die menschliches und nicht-menschliches Leben gegeneinander ausspielen? Die Veranstaltungen finden in Kooperation mit verschiedenen Institutionen an unterschiedlichen Orten in Berlin statt, darunter unabhängige Stätten der Kulturproduktion, aber auch besondere Orte in Berlin, die die tradierte Trennung von Natur und Stadt aufbrechen.

Im folgenden sind die Veranstaltungen im Juni dargestellt, weitere Termine werden laufend ergänzt.

von: Thomas Hauck, Marc Frohn, Zoë Mc Pherson, Vincent Vidal, Simulacro

Im ehemaligen Krematorium in Berlin-Wedding, dem heutigen Kulturquartier silent green, diente der Kuppelsaal als Feierhalle wie auch als Kolumbarium. Der Begriff Kolumbarium bezeichnete ursprünglich einen Taubenschlag (lat. columba = Taube), wegen der visuellen Ähnlichkeit wurde der Begriff auf römische Urnengräber übertragen. Auf diese typologische Doppeldeutigkeit, die auf Menschen und Tiere gleichermaßen verweist, geht die immersive Sound-Installation mit den Stimmen ausgestorbener Vogelarten ein. Konzipiert von dem Mitbegründer der Animal-Aided-Design-Methode Thomas Hauck und dem Architekten Marc Frohn vom Büro FAR frohn&rojas, realisiert in Zusammenarbeit mit der Soundkünstlerin Zoë Mc Pherson, ist die Komposition Teil eines Entwurfs, der an diesem Ort des Todes Vögel gleichsam zum Leben erweckt. Die Installation ist während der Eröffnung der Ausstellung Cohabitation und den beiden folgenden Tagen begehbar.

mit: Thomas E. Hauck (Studio Animal-Aided Design), Marc Frohn (FAR frohn&rojas) und Zoë Mc Pherson, Moderation: Peter Spillmann

Die von dem Landschaftsarchitekten Thomas Hauck in Zusammenarbeit mit dem Biologen Wolfgang Weisser entwickelte Methode des Animal-Aided Design soll es ermöglichen, städtische Räume für Menschen und Tiere gleichermaßen zu gestalten. Dazu werden die Ansprüche verschiedener Tierarten an ihre Umgebung in Artenporträts erfasst und in konkrete Gestaltungswerkzeuge für Planer*innen übersetzt. Gemeinsam mit dem Architekten Marc Frohn vom Büro FAR frohn&rojas hat Hauck die Methode auf das Gelände des silent green in Berlin-Wedding angewandt und eine mögliche Intervention für den Schornstein des ehemaligen Krematoriums entworfen, die dort Lebensraum für verschiedene Vogelarten schaffen soll. Im Zusammenspiel mit einer Soundinstallation, die gemeinsam mit Zoë Mc Pherson entwickelt wurde, diskutieren die Beteiligten, wie eine Architektur der Cohabitation aussehen kann.

mit: Krõõt Juurak & Alex Bailey, Maissa Maatouk, Ina Hsu & Gina Disobey, Ivana Marjanović & Karl-Heinz Machat, Moderation: Peter Spillmann

Parallel zur Ausstellung Cohabitation in Berlin ist im Kunstraum Innsbruck noch bis zum 13. Juni die von Ivana Marjanović kuratierte Ausstellung Cohabitation – Raum für alle Arten. Die Zukunft alpiner Städte und das Zusammenleben von Menschen und Tieren zu sehen. In beiden Ausstellungen spielen künstlerische Arbeiten nicht zufällig eine zentrale Rolle. Während gestalterische Disziplinen wie Architektur und Stadtplanung bislang den nicht-menschlichen Spezies wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben oder sie sogar als Hindernisse betrachteten, kann die Kunst bereits auf eine längere Tradition der Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Menschen und Tieren zurückgreifen. In aktuellen künstlerischen Projekten werden neue Formen des Zusammenlebens untersucht und erprobt, werden Visionen einer Interspezies-Gesellschaft entworfen oder bereits konkrete Gestaltungsvorschläge für eine neue Stadt entwickelt. Im Gespräch mit beteiligten Künstler*innen aus den beiden Ausstellungen werden unterschiedliche Arbeitsstrategien vorgestellt und das Potential von Kunst in gesellschaftlichen Transformationen ausgelotet

With Dunya Bouchi, Christian Hiller, Jorge Godoy Roman, Ana Zatezalo Schenk, Florentin Steininger & Sjoerd Krijnen, Moderation: Christian Hiller

‘Animalesque’ is a collaboration between architects Jorge Godoy Roman, Florentin Steininger, Ana Zatezalo Schenk and Sjoerd Krijnen, dedicated to knowledge production about the potential of architectural design as a stimulus for biodiversity.

This evening crosses two projects with very different expressions and approaches to explore and capture this subject: the Animalesque City film-competition has generated visions on human-animal coexistence all around the world. Together, the submitted films express visionary animalesque realities, constructed from different global perspectives and seen through a multiplicity of lenses. The six winning entries will be screened and discussed with the film makers and jurors Dunya Bouchi (ANCB) and Christian Hiller (ARCH+).

The second project is the prototypical and experimental observatory ‘Soil Pipers/Bodenorgel’ which was designed and built by Animalesque as part of the Cohabitation exhibition in the garden of Silent Green. The installation is co-run by the 7th graders of nearby Theodor - Heuss-Gemeinschaftsschule in an educational program to learn about local history, urban biology and the concept of cohabitation.  

These movies are selected as winners of the Animalesque City competition and will be screened:
Vendor Beast – Finn Rabbitt Dove
Dirt – Blanka Dominika Major
Elysia - Natalya Dikhanov, Sadie Imae, Zak Forrest
I’m not mad, I’m Nomad - Tomiris Batalova
The Golden Age - Valeria Meiller, Agustin Schang
A Dove Tale – Will Fu

mit: Arno Brandlhuber, Dorothee Brantz, Christoph Rauhut, Cord Riechelmann, Moderation: Anh-Linh Ngo und Alex Nehmer

mit: Theo Deutinger & Charlotte Kaulen, Animali Domestici, Moderation: Christian Hiller und Alex Nehmer

Der Architekt Theo Deutinger und die Stadtplanerin Charlotte Kaulen präsentieren ihre künstlerische Forschung zur Berliner Haustierwirtschaft. Berlin zählt über 100.000 Hunde- und um die 300.000 Katzenbesitzer*innen, hinzu kommen unzählige Halter*innen von Meerschweinchen, Schildkröten, Kaninchen, Mäusen, Fischen, Schlangen, Spinnen und Vögeln. Könnte man einen Schnitt durch ein durchschnittliches Berliner Wohnhaus legen, so würde man in jedem zweiten Haushalt mindestens ein Haustier vorfinden. Um die Haustierhaltung hat sich eine eigene Ökonomie gebildet, die den Stadtraum prägt, aber auch vor allem durch den Nahrungskonsum der Haustiere riesige Landflächen beansprucht.

Ressourcenverbrauch und Wachstum der Städte zerstört die Habitate vieler wildlebender Arten, die dadurch gezwungen sind, sich an die menschlichen Lebensräume anzupassen. Die Künstler*innengruppe Animali Domestici beschäftigt sich damit, wie Tiere sich die menschliche gebaute Umwelt, ihre Infrastrukturen der Produktion und Entsorgung, aneignen und zu Nutze machen. Ihre in der Ausstellung präsentierte Kartierung Bangkok Opportunistic Ecologies zeigt die Stadt aus der Perspektive von Python-Schlangen, die die unüberschaubare Kanalisation der Millionenstadt besiedeln – und stellt damit den rein anthropozentrischen Blick auf die Stadt in Frage.

Um an der Veranstaltung teilzunehmen, buchen Sie bitte das Ticket unten.

mit: Amanda Machin, Özgür Özvatan, Hanna Rullmann, Moderation: Alex Nehmer

Engagement für die Umwelt und andere Arten ist nicht automatisch emanzipatorisch; dass sie auch für menschenfeindliche politische Zwecke instrumentalisiert werden kann, ist Thema der Diskussion im Rahmen der zweiten Ausgabe des Festivals Climate Care der Floating University in Kooperation mit Cohabitation. Insbesondere Vorstellungen von einer vermeintlich reinen, unverfälschten Natur dienen als Vorwand für rechte politische Akteure, Natur- und Tierschutz gegen rassifizierte Menschen einzusetzen. Wie Hanna Rullmann in ihrem gemeinsam mit Faiza Ahmad Khan gedrehten Dokumentarfilm Habitat 2190 über die Renaturierung eines ehemaligen Flüchtlingslagers in Calais zeigt, ist Naturschutz zu einer Waffe eines menschenfeindlichen Grenzregimes geworden. Der Politikwissenschaftler und Soziologe Özgür Özvatan forscht u. a. zu Rassismus und Erzählungen rechter Umweltpolitik. Wie die Politikwissenschaftlerin Amanda Machin argumentiert, weist der Aufstieg eines grünen Rechtspopulismus aber auch auf Versäumnisse der etablierten Umweltpolitik hin.

Die Veranstaltung findet auf Englisch statt.

COVID-19 Regeln: Alle müssen etweder am selben Tag negativ getestet, genesen oder 2x geimpft kommen.

Anmeldung am Eingang, der Eintritt ist frei.

mit: Sandra Jasper, Böhler & Orendt, Tina Heger, Moderation: Alex Nehmer

Der Spreepark stellt alte Grenzziehungen zwischen Natur und Kultur bzw. Stadt in Frage. Nachdem der Spreepark jahrelang der Stadtnatur überlassen blieb, haben sich Flora und Fauna die verfallenen Fahrgeschäfte und Restarchitekturen erobert, darunter auch neue zugewanderte Pflanzen und Tierarten. Auch die Auswirkungen der menschengemachten Klimaerhitzung werden bereits im Spreepark sichtbar. Heute soll der Spreepark zu einem öffentlichen Raum werden, den sich Mensch und Natur teilen. Doch wenn wir nicht mehr auf altbekannte Kategorien zurückgreifen können, können wir auch nicht mehr davon sprechen, „die Natur“ erhalten zu wollen, sondern müssen bewusst entscheiden, wie wir unser Zusammenleben mit welchen Formen von Natur gestalten. Was Natur ist, wird damit zu einer politischen Frage, die der Aushandlung bedarf. Wie muss sich etwa unser Verständnis der Natur ändern, wenn wir ihre eigene Agency anerkennen? Wie lassen sich Vorstellungen vermeintlich reiner, heimischer Natur überwinden und stattdessen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Natur ständig in Veränderung ist? Darüber diskutieren die Künstler Böhler & Orendt, die Geografin und Stadtforscherin Sandra Jasper und die Biologin Tina Heger.

Die Diskursveranstaltung findet in Deutscher Sprache statt und ist, wie die Klangperformance, eine Kooperation zwischen ARCH+ und Spreepark Art Space

mit: Moritz Ahlert, Tahani Nadim, Alsino Skowronnek, Feifei Zhou, Moderation: Alex Nehmer

In Zusammenarbeit mit dem Museum für Naturkunde entwickelten Moritz Ahlert und Alsino Skowronnek die Video-Installation Mapping the Post-Human City, die das teils symbiotische, aber auch konflikthafte Zusammenleben von Menschen und Tieren in Berlin kartiert. Ein grundlegendes Beispiel künstlerisch-forschender Mappings ist der Feral Atlas von Anna L. Tsing, Jennifer Deger, Alder Keleman Saxena und Feifei Zhou. Die Kartierungen der Architektin und Künstlerin Feifei Zhou gehen unkonventionelle Wege, um nicht-beabsichtige Folgen menschengemachter Infrastruktur auf andere Lebewesen offenzulegen. Dabei verstehen sich die Arbeiten bewusst nicht als neutrale Faktensammlungen. Stets liegen gesellschaftspolitische Kontexte zugrunde, wie sie die Wissenschaftssoziologin Tahani Nadim für naturkundliche Datenpraktiken in dem Forschungsprojekt Data Natures beschreibt. Mit den Projektpräsentationen und einer von Alexandra Nehmer (ARCH+) moderierten Paneldiskussion sollen die Bedingungen des Kartierens und Inventarisierens kritisch erörtert und nach Möglichkeiten gefragt werden, wie sich Datenbestände zu neuen Narrativen der Cohabitation verknüpfen lassen.

Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.

mit: Fahim Amir, Xenia Chiaramonte, Alex Nehmer, Marianne Ramsay-Sonneck & Georg Reinhardt (Club Real), Aurelie Richards und andere

Wem gehört die Stadt? Wer entscheidet, was dort passiert? Auf diese Fragen findet die seit 2019 bestehende und von Club Real initiierte Organismendemokratie in der Berliner Osloer Str. 107/108 grundlegend neue Antworten. Alle auf der Brache lebenden Spezies haben die gleichen politischen Rechte – gleich ob Eichhörnchen, Kastanie oder Wurzelknöllchenbakterium. Im Parlament der Organismen kämpfen menschliche Vertreter*innen für die Anliegen der von ihnen repräsentierten nicht-menschlichen Organismen und fassen gemeinsam Regierungsbeschlüsse, die am Tag der Gartenexekutive umgesetzt werden. Im Rahmen des Justizpalasts wird die Regierungsperiode 2021 nun kritisch hinterfragt. Die Besucher*innen der Gerichtsverhandlung im Haus der Kulturen der Welt entscheiden über zwei Klagen, die Bürgerinnen-Spezies der Fläche in Berlin-Mitte eingebracht haben.

Die eingeladenen Expert*innen beleuchten die Frage der politischen Repräsentation aus verschiedenen Blickwinkeln: (Wie) können nicht-menschliche Lebewesen Teil der politischen Gemeinschaft werden? Wie müssen sich politische Institutionen weiterentwickeln, um der gegenwärtigen Situation der ökologischen Krise gerecht zu werden, um mehr Menschen und auch die Interessen zukünftiger Generationen stärker miteinzubeziehen?

Die GGG Regeln gelten.

Aktuelle Termine und Tickets siehe unter den jeweiligen Abschnitten unten.

Stadterkundungen mit Künstler*innen, Expert*innen und Aktivist*innen aus Umweltschutz, Architektur, Biologie, Biodiversität und Städtebau führen zu fünf unterschiedlichen Schauplätzen der Interspezies-Interaktion in Berlin.

Mit über 20.000 nachgewiesenen Tier- und Pflanzenarten ist Berlin eine der artenreichsten Städte Europas. Das liegt nicht zuletzt an seiner Geschichte: Kriegszerstörung und die Teilung in Ost und West produzierten viele Freiräume und Brachen. Seit den 1960er-Jahren wurde die Stadt zum Gegenstand eines neuen ökologischen Verständnisses, das den städtischen Raum als Habitat unterschiedlicher Spezies anerkannte – zum Teil notgedrungen, da den West-Berliner Biolog*innen nur die eingeschlossene Stadt für ihre Untersuchungen zur Verfügung stand. Eine große Rolle spielte dabei die Zivilgesellschaft: Mit der Unterstützung zahlreicher Freiwillige wurden zwischen 1979 und 1984 die Habitate von Tieren und Pflanzen im gesamten Stadtgebiet – einschließlich aller menschlicher Bebauung – erfasst. Noch heute engagiert sich eine Vielzahl zivilgesellschaftlicher, wissenschaftlicher und künstlerischer Initiativen für Stadtökologie und tierische Stadtbewohner.

Führungen an fünf besonderen Orten in Berlin stellen einer breiten Öffentlichkeit jenseits des Fachdiskurses bestehende Initiativen und Projekte vor und dienen zugleich dazu, Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den beteiligten Akteur*innen zu fördern. Ausgehend von alltagsnahen Perspektiven, z. B. der Beobachtungen von Tieren in der unmittelbaren städtischen Umgebung, werden komplexe Zusammenhänge, wie Umweltzerstörung, Ressourcenausbeutung, Rückgang von Biodiversität oder globalisierte Lebensmittelproduktion anschaulich. Städtische Naturräume sollen als öffentliche Räume erlebt und neue Formen des solidarischen Zusammenlebens in zukünftigen Stadtgesellschaften erkundet werden.

mit: Marcus Maeder, Tim Peschel, Katja Aßmann, Peter Spillmann

Nach Privatisierung und Insolvenz wurde der Spreepark, als Kulturpark Plänterwald einst der einzige Vergnügungspark der DDR, 2001 geschlossen. Bis zum Kauf durch das Land Berlin 2014 blieb das Areal sich selbst überlassen, Flora und Fauna siedelten sich in den ehemaligen Fahrgeschäften, künstlichen Teichen und Restarchitekturen an. Heute soll der Spreepark zu einem neuen öffentlichen Raum werden und die Co-Nutzung durch Menschen, Tiere und Pflanzen ermöglichen, was zu einem aufwändigen Aushandlungsprozess zwischen den Akteur*innen aus Umweltschutz, Stadtplanung und Kunst führt. Während der Stadterkundung gibt Katja Aßmann einen Einblick in die Planung, die sie als künstlerische Leiterin des Spreeparks für die Grün Berlin mitverantwortet. Der Biologe Tim Peschel, dessen ökologische Untersuchung als eine Basis für die Freiraumkonzeption des Spreeparks dient, stellt die Lebewesen vor, die sich dieses Habitat erobert haben. Marcus Maeder präsentiert erste Ergebnisse seiner Künstlerresidenz im Rahmen von Cohabitation in Kooperation mit Spreepark/Grün Berlin, in der er den aktuellen Zustand des Ökosystems mithilfe von Soundaufnahmen künstlerisch-wissenschaftlich dokumentiert hat.

Zum Nachhören im ARCH+ Podcast

mit: Marcus Maeder

Im Rahmen einer Künstlerresidenz im Spreepark beobachtet der Klangkünstler Marcus Maeder seit einem Jahr die Soundscape des ehemaligen Vergnügungsparks der DDR, der nach Jahren der Verwilderung bald wieder als Erholungsraum und Schnittstelle zwischen Natur, Kultur/Kunst und Bildung eröffnet werden soll. In seiner mehrstündigen Sound-Installation entwickelt und entfaltet Marcus Maeder ein musikalisches Ökosystem des Spreeparks. Field Recordings vom Gelände treten in Interaktion mit elektronischen Klängen, die von den aufgezeichneten Umweltgeräuschen angeregt und gesteuert werden. Maeder versteht seine Soundarbeit als einen klanglichen Multispezies-Bau, in den man eintauchen kann.

Die Künstlerresidenz von Marcus Maeder findet im Rahmen von Cohabitation in Kooperation mit Spreepark / Grün Berlin unter der künstlerischen Leitung von Katja Aßmann statt.

Die Sound-Installation ist ganztägig besuchbar. Zutritt nur mit Ausstellungsticket für den 12. Juni 2021, 11 bis 19 Uhr. Von 15:00 bis 19:00 Uhr ist die Soundinstallation live mit dem Künstler, dafür bitte ein Ausstellungsticket im Zeitraum buchen.

mit: Club Real

Am 19. Juni tagt das 4. Parlament der Lebewesen am Ort der Organismendemokratie in der Osloer Straße: Alle Lebewesen, die auf der Baulücke im Berliner Stadtteil Wedding leben, haben die gleichen politischen Rechte. Stellvertretend für die Gemeinschaft von über 300 unterschiedlichen Spezies werden 15 Organismen im Parlament von 15 Menschen vertreten. Im Namen so unterschiedlicher Spezies wie Eichhörnchen, Kastanie oder Wurzelknöllchenbakterium setzen sich die Repräsentant*innen mit aktuellen Konflikten auf der Fläche und Zukunftsideen für das Gemeinwesen auseinander und treffen Entscheidungen, die möglichst allen seinen Bürgern gerecht werden sollen.

Treffpunkt: Osloer Str. 107/108, 13359 Berlin-Wedding

With: Animalesque, Simon, Melanie von Orlow (t.b.c.)

Das silent green Kulturquartier mit dem angrenzenden Friedhof und verschiedenen umliegenden Grünräumen im Kiez steht exemplarisch für viele Orte in Berlin, wo sich Stadt- und Naturräume durchmischen und so ideale Voraussetzungen für eine artenreiche Stadtnatur schaffen. In einem Projekt mit Jugendlichen aus dem Quartier hat Animalesque, die Visiting School der Londoner Architectural Association School of Architecture in Berlin, einen Prototypen für das Zusammenleben von Mensch und Tier auf dem Gelände des silent green gebaut. Zusammen mit Simon, der sich um die Garten- und Grünflächen des silent green kümmert, und der Expertin für Schwarminsekten Melanie von Orlow (t.b.c.) führen Mitglieder von Animalesque um das Gelände.

mit: Club Real

In der Gartenexekutive können sich Besucher*innen der Organismendemokratie an der Umsetzung der Beschlüsse des Parlaments der Lebewesen vom 19.6.21 beteiligen. Diese haben reale Konsequenzen für die ökologische Lebensgemeinschaft aller Organismen auf der Fläche. Welche Spezies erhalten Asyl und wie werden sie bei der Ansiedlung unterstützt? Was passiert auf den grenznahen Flächen, die vom Grünflächenamt ohne Zustimmung des Parlaments gerodet wurden?

Treffpunkt: Osloer Str. 107/108, 13359 Berlin-Wedding

mit: Carsten Kallasch, Cord Riechelmann, Peter Spillmann, Beate Witzel und einer*m Vertreter*in des Haus der Statistik

Auf einer Führung rund um den Alexanderplatz geben die Stadtökologin Beate Witzel, der Krähenexperte Cord Riechelmann und der Fledermausforscher Carsten Kallasch. Einblicke in das Wildtierleben in Berlins Mitte. Stare haben gelernt, die S-Bahn zu benutzen, um sich geschützt vor Falken fortzubewegen. Einige überwintern in der Bahnhofshalle – aufgrund der zunehmenden Erwärmung vor allem der Städte ziehen viele Vögel inzwischen nicht mehr in den Süden. Füchse übernachten auf den zahlreichen Baustellen und Waschbären erklimmen selbst Hochhäuser. Jeden Abend kehren Krähen aus dem Umland an ihre Schlafplätze in der Stadtmitte zurück. Auf dem Dach des Shoppingcenters Alexa brüten Großmöwen, denn in der Stadt finden sie heute oft mehr Nahrung als an der überfischten Ostsee. Auch aufgrund seiner räumlichen Vielfalt durch die unterschiedlichsten Gebäudetypen und historischen Architekturphasen ist der Stadtraum Habitat für viele verschiedene Spezies geworden. So beherbergt etwa die Plattenbau-Fassade des Haus der Statistik 200 Mauerseglerpaare, außerdem leben viele Fledermäuse in dem Gebäudekomplex. Viele weitere Spezies nutzen dieselbe städtische Infrastruktur wie wir und haben ihre Verhaltensweisen dem Stadtleben angepasst. Die Cohabitation findet hier weitgehend unbemerkt und ohne größere Konflikte bereits statt und soll auch im Nutzungskonzept des zukünftigen Kulturzentrums im Haus der Statistik berücksichtigt werden.

Treffpunkt: WERKSTATT Haus der Statistik, Karl-Marx-Allee 1, 10178 Berlin, Deutschland

mit: Marta Fernandez, Roberta Jurčić, Kathrin Scheurich

Mit dem Bau des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie und den Zentralen Tierlaboratorien der Freien Universität Berlin, neben dem Naturschutzgebiet Schlosspark Lichterfelde entstand ein dichtes Nebeneinander natürlicher und künstlicher Biotope. Die inzwischen teilweise stillgelegten Einrichtungen waren Hochsicherheits-Architekturen, die den Rahmen für kontrollierbare Versuchsanordnungen boten. Die Vorstellung von der Natur als begrenztem System beschränkt sich jedoch nicht aufs Labor, sondern prägt den Biotop-Begriff über die Naturschutzzone bis hin zur Idee einer beherrschbaren Biosphäre.

Aus heutiger Sicht scheinen diese Vorstellungen längst überholt: Tiere, Pflanzen und Viren durchkreuzen Zonen, dringen in geschlossene Räume und wandern rund um den Globus. Wie könnten dynamische Konzepte von Natur aussehen? Die Stadterkundung rund um den Mäusebunker wird begleitet von der Natur- und Umweltpädagogin Kathrin Scheurich, gemeinsam mit Marta Fernandez und Roberta Jurčić, die sich gemeinsam mit Studierenden der ETH Zürich mit Möglichkeiten auseinandergesetzt haben, den Mäusebunker für Tiere und Wildnis durchlässig zu machen und so in eine Architektur für Multispezies-Cohabitation zu wandeln.

Die Veranstaltung wird auf Deutsch und Englisch stattfinden.

Treffpunkt: Die Terrasse auf der Rückseite des Gutshaus Lichterfelde (Hindenburgdamm 28, 12203 Berlin)

mit: Marianne Ramsay-Sonneck & Georg Reinhardt (Club Real), Maike Weißpflug (Museum für Naturkunde Berlin), Thomas Hauck

Bei einer Führung rund um das Gelände der ersten Berliner Organismendemokratie an der Osloer Straße in unmittelbarer Nähe der Panke können viele Tier- und Pflanzenarten beobachtet werden, die aus der ganzen Welt zugezogen sind. Wer wo leben oder sich ausbreiten darf, unterliegt auf dem kleinteiligen Perimeter aber ganz unterschiedlichen und zum Teil widersprüchlichen Ordnungssystemen – je nachdem, ob sich eine Spezies auf dem öffentlichen Grund, in den Grünräumen, im Straßenraum oder im privaten Hinterhof befindet. Ziel der Stadterkundung ist es, einige der aktuell geltenden Regime kennenzulernen und dabei die Frage der politischen Vertretung von nicht-menschlichen Lebewesen zu diskutieren. Mitglieder der Künstler*innengruppe Club Real stellen die Organismendemokratie vor, ein partizipatives Experiment zur Mitbestimmung verschiedenster Organismengruppen an politischen Entscheidungsprozessen.

Treffpunkt (geändert): Eingang vom Bibliothek am Luisenbad, Badstraße 39, 13357 Berlin