Geschichte/Herkunft
Eine der ersten überlieferten schriftlichen Quellen über das Bauen mit kurzen Bauteilen findet man im Bauhüttenbuch des französischen Baumeisters Villard de Honnecourt um 1230. Dort ist ein Tragwerk dargestellt, das eine Öffnung mit Balken überdecken soll, deren Spannweite für eine durchlaufende Balkenlage nicht ausreichen würde. (Abb. 1)
Was bei Honnecourt noch als pragmatischer Vorschlag einer konstruktiven Lösung formuliert wird, erhält bei den Hebelstabwerken von Leonardo da Vinci und besonders beim Architekten Sebastiano Serlio eine zusätzliche Komponente: Die Untersuchung geometrischer und mathematischer Gesetzmässigkeiten. (Abb. 2, 3) Auch der Mathematiker John Wallis erkennt diese Gesetzmässigkeiten, welche sich aus dem Zusammenspiel zwischen Einzelteil und Gesamtsystem ergeben, und stellt in seiner 1693 erschienenen Opera Mathematica Systeme vor, die auf verschiedenen geometrischen Grundformen aufbauen. Er liefert dazu auch einen Berechnungsansatz der Verteilung der Hebelkräfte im System. (Abb. 4)
Grundlegendes Prinzip dieser Hebelstabwerke ist, dass immer mindestens 3 Stäbe gegenseitig aufeinander aufliegen und so grössere Spannweiten als die des einzelnen Stabes überspannt werden können.
Nicht immer blieben diese Tragwerke selbst sichtbar. Innovative Lösungen wurden auch im Erstellen von Lehrgerüsten im Massivbau entwickelt. Der Vorteil solcher Gerüste ist, dass man minderwertiges Bauholz verarbeiten kann um grosse Tragwerke zu erstellen. (Abb. 5)
Diese Eigenschaft macht sich der Mitte des 16. Jahrhunderts am französischen Königshof tätige Architekt Philibert de l’Orme zu Nutze und entwickelt das so genannte Bogenbohlendach. (Abb. 6) Mit diesem ist es möglich grosse Dächer kostengünstig, stützenfrei und leicht zu bedecken, was den König so überzeugt, dass er seinen Architekten anhält seine Erfindung zu publizieren. Doch trotz mehrerer Auflagen der „Nouvelles Inventions pour bien batir“ bleibt ein durchschlagender Erfolg der Bauweise sehr lange aus. Erst als 1780 in Paris der Innenhof der Halle au Blé überkuppelt werden muss wird die Konstruktion wieder einmalig angewandt. (Abb. 7) Auf diesen Bau werden schliesslich Carl Gottfried Langhans und David Gilly aufmerksam. Sie erkennen das Potential für das in jener Zeit an Bauholz knappe Preussen und publizieren die Bogenbohlendächer erneut. Ihr Einfluss auf die Architekten und die Bauakademie greift deutlich und es entstehen zahlreiche Projekte namhafter Architekten, die mit diesen Dachtragwerken entwerfen.
Letztlich ebnen die Bogenbohlendächer den Weg zu einer Weiterentwicklung, die heute unter dem Patent des Zollinger-Lamellendachs bekannt ist. Der Stadtbaurat Friedrich Zollinger spreizt für seine Entwicklung die Bohlen auf und verbindet die so die linienförmigen Bögen miteinander, woraus sich ein rautenförmiges Netz entwickelt, das auch in Längsrichtung ausgesteift ist. Da das System mit nur vier Teilen auskommt und einfach zu montieren ist, können auch minderqualifizierte Handwerker preiswerte Dächer grosser Spannweite erstellen. (Abb. 8)