Anh-Linh Ngo: Im Gespräch mit der Direktorin der Villa Massimo Julia Draganović haben wir darüber gesprochen, dass Rom in früheren Zeiten dazu diente, den europäischen Kunstgeschmack zu eichen und zu vereinheitlichen. Die heutigen Bedingungen sind ganz andere. Was bedeutet ein Rom-Aufenthalt für ein junges Architekturbüro heute? Stand für Euch im Vordergrund, Zeit zu haben, intensiv an bestehenden Themen und Projekten zu arbeiten oder hat die Stadt selbst eine Rolle gespielt?
FAKT: Rom als Stadt war definitiv ein wichtiger Einfluss. Sicher stellt die Stadt heute nicht mehr diese Eichung dar, man geht nicht mehr wie früher dorthin, um bestimmte Dinge zu erlernen und direkt zu kopieren. Trotzdem erweitert der Aufenthalt den baugeschichtlichen Bezugsrahmen enorm, vor allem im Vergleich zu einer Stadt wie Berlin, wo wir herkommen. Andererseits hat Rom vielleicht die Schwierigkeit, dass wenig Neues entstehen kann, weil es so ein Übermaß an baulichem Erbe gibt. Ein Aspekt, der uns während unseres Aufenthalts dort angefangen hat zu faszinieren, war das Zusammenspiel der Monumente mit den modernen, vielfach metallischen Strukturen, die diese historischen Monumente zusammenhalten und abstützen; sie wirken fast wie Prothesen. Im Grunde sind das nur Hilfskonstruktionen, aber man könnte sie auch als eine Art des Weiterbauens verstehen. Uns hat interessiert, wie man das Erbe eben nicht nur erhält, sondern erweitert und fortschreibt.
ALN: Wie tritt man mit einem solchen Ort in eine produktive Auseinandersetzung? Welche Ansätze habt Ihr gefunden, diese Beobachtungen über die Stadt für Eure Praxis fruchtbar zu machen?
FAKT: Wir haben beim Erkunden der Stadt nach Fragestellungen gesucht, die uns interessieren. Ein Thema waren zum Beispiel die vielen weitläufigen Gärten und Parks, die inselartig über die ganze Stadt verteilt sind, sich aber durch ihre Introvertiertheit und Abgeschiedenheit oft dem öffentlichen Raum entziehen. Wir wollten diese Räume als Potential verstehen, von dem wir lernen und mit dem wir arbeiten können. Auch die Villa Massimo ist ein solcher Raum. Als Stipendiaten waren wir privilegiert, ihn nutzen zu können. Oft sind es Institutionen, die über diese Räume verfügen und die damit die Verantwortung haben, sie für mehr Menschen erlebbar und nutzbar zu machen. Das brachte uns auf die Idee, über leichte Strukturen nachzudenken, die mit diesen Gartenwelten koexistieren können, die aber trotzdem einen Mehrwert schaffen, also zusätzliche Nutzungen erlauben. Eines der Projekte, die wir erarbeitet haben, war ein Raum für einen solchen Garten.