50 Professorinnen und Professoren der Architektur, der Stadt- und Regionalplanung, der Stadt- und Architekturtheorie, der Freiraumplanung, der Architektursoziologie, des Planungsrechts und des Städtebaus widersprechen und appellieren an die Entscheidungsträger von Bund, Ländern und Kommunen, die Düsseldorfer Erklärung kritisch zu hinterfragen:
Wir appellieren an die Entscheidungsträger von Bund, Ländern und Kommunen, die Düsseldorfer Erklärung kritisch zu hinterfragen:
1. Die Forderungen zur Reform der Baunutzungsverordnung bilden die schwierige Lage einiger weniger Großstädte unter Wachstumsdruck ab. Dabei wird ausgeblendet, dass das Planungsrecht für alle Städte, also auch für Städte mit stagnierender oder zurückgehender Bevölkerung, wie auch für ländliche Räume in ganz Deutschland gelten - und deren ausgewogene Entwicklung sicherstellen muss.
2. Die Forderung nach Abschaffung von Dichteobergrenzen ist ein Aufruf zu Deregulierung und befeuert damit die aktuelle Bodenspekulation – dies in einer Situation, in der wir mehr denn je Steuerungsinstrumente benötigen, um die aus den Fugen geratenen Boden- und Wohnungsmärkte zu beruhigen.
3. Die Leipzig Charta wird einseitig und ideologisch ausgelegt, um eine bestimmte Städtebau-Typologie zu forcieren. Dies steht im Widerspruch zur Leipzig Charta, die einen Hauptfokus auf benachteiligte Stadtquartiere im gesamtstädtischen Kontext legt.
4. Mit der Reduzierung städtebaulicher Qualitäten auf einen traditionellen, an der Gründerzeit orientierten Stadttypus werden andere gewachsene Bestandsquartiere entwertet und die Menschen, die in ihnen leben, ausgegrenzt. Dies entzweit unsere Stadtgesellschaften.
Wir widersprechen der Düsseldorfer Erklärung in ihren Grundzügen und fordern stattdessen:
Keine weitere Deregulierung!
Eine Hauptforderung der Düsseldorfer Erklärung besteht in der Abschaffung der Dichteobergrenzen, die in §17 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) festgesetzt sind. Diese Deregulierung der Dichte hätte enorme immobilienwirtschaftliche Konsequenzen. Bodenspekulation und Bodenpreise würden unmittelbar und noch stärker ansteigen als bisher, und den Kommunen würde gleichzeitig eine wesentliche Verhandlungsgrundlage entzogen. Folglich würden Grundeigentümer mit leistungslosen Gewinnen belohnt, während die öffentliche Hand allein die Kosten für die Anpassung von Infrastruktur und Wohnfolgeeinrichtungen aufbringen müsste. Die Aufhebung städtebaulicher Dichtegrenzen – ohne Anpassung des bodenpolitischen Instrumentariums – käme damit einer weitgehenden Deregulierung des Bodenmarktes und dem Verlust kommunaler Steuerung gleich.
Eine Baunutzungsverordnung für das ganze Land und alle Städte!
Die Düsseldorfer Erklärung ist eine Großstadtstrategie. Sie spiegelt die Sichtweise und Problemlagen von einigen wenigen Großstädten unter Wachstumsdruck wider und vergisst dabei, dass das Planungsrecht überall in Deutschland gelten und also auch die Bedürfnisse von Vororten, Kleinstädten und ländlichen Räumen abbilden muss. Das Planungsrecht muss wertneutral für alle Strukturräume und Bautypologien gelten, und es muss dabei auch den unterschiedlichen Lebensentwürfen und Wohnbedürfnissen der Menschen gerecht werden. Eine fachliche Überprüfung der Düsseldorfer Erklärung zeigt zudem, dass zahlreiche Forderungen im Rahmen der derzeitigen BauNVO bereits erfüllt sind.
Keine Instrumentalisierung der Leipzig Charta!
Die Leipzig Charta für die nachhaltige europäische Stadt verfolgt eine Sektoren übergreifende und sozial integrierte Stadtentwicklung mit einem Fokus auf benachteiligte Stadtquartiere im gesamtstädtischen Kontext. Sie ist damit ein Plädoyer für die Vielgestaltigkeit unserer Städte und wendet sich explizit gegen die Ausgrenzung einzelner Stadtquartiere oder Stadtbautypologien - im Gegensatz zur Düsseldorfer Erklärung, die nur Qualitäten in bestimmten, am traditionellen Städtebau der Gründerzeit orientierten Quartieren sieht. Die Düsseldorfer Erklärung legt die Leipzig Charta damit bewusst falsch aus, und versucht ihre Ziele mit Scheinargumenten zu legitimieren.
Gegen einen dogmatischen, historisierenden Städtebau!
Die Düsseldorfer Erklärung ruft eine traditionelle, „schöne“ Retortenstadt aus, die es in dieser Reinform nie gegeben hat, und die auf zukünftige Herausforderungen für eine soziale und funktionale Mischung keine Lösungen bietet. Sie negiert und behindert mit diesem einseitigen Blick in die Vergangenheit alle Forschungsansätze für ein zeitgemäßes städtebauliches Repertoire. In Zukunft wird – im Gegensatz zu dem vornehmlich auf formalen Aspekten beruhenden, historisierenden Städtebau – die Auseinandersetzung mit wandelbaren hybriden Gebäuden und Strukturen für die produktive Stadt an Bedeutung gewinnen. An vielen Hochschulen ist dies bereits Gegenstand einer forschenden Lehre im Sinne einer sozial- und nutzungsdurchmischten Stadt der Zukunft.
Für eine umfassende Baukultur!
In der Leipzig Charta wird Baukultur in einem umfassenden Sinne definiert, als Gesamtheit aller die Qualität des Planens und Bauens beeinflussenden kulturellen, ökonomischen, technischen, sozialen und ökologischen Aspekte. Ganz im Gegenteil zur Düsseldorfer Erklärung, die Baukultur auf bauliche Themen reduziert, diese mit einem dogmatischen Städtebau koppelt und behauptet, dies stünde im Einklang mit der Leipzig Charta. Für die Stärkung des Bewusstseins der vielfältigen Aspekte, die den Prozess des Planens und Bauens und dessen Qualität bedingen, wurde eigens die Bundesstiftung Baukultur gegründet. Wir sind entschieden gegen die eingeengte Definition von Baukultur der Düsseldorfer Erklärung.
Zusammenfassung
Die Düsseldorfer Erklärung des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst zielt vor allem auf eine Reform der Baunutzungsverordnung (BauNVO), der wir in der vorgeschlagenen Form kritisch gegenüberstehen. Sie verbindet diese Reform mit einem dogmatischen, historisierenden Städtebau, den wir in der vorgetragenen Ausschließlichkeit ablehnen. Und sie begründet diese Haltung mit einer einseitigen Auslegung der Leipzig Charta für die nachhaltige europäische Stadt. Wir widersprechen diesem Papier entschieden, in dem es Tendenzen zu Populismus gibt und das zur Deregulierung aufruft!
Gleichwohl sehen auch wir Bedarf für eine Reform des Planungsrechts – insbesondere des bodenpolitischen Instrumentariums – und in einigen wenigen Teilen auch der Baunutzungsverordnung. Dies muss allerdings im Zusammenhang geschehen und nicht mit einem Handstreich zur Abschaffung der Dichteobergrenzen: Die Debatte ist eröffnet!
INITIATIVE
Prof. Dr. Sabine Baumgart , Professorin em. für Stadt- und Regionalplanung, TU Dortmund
Prof. Dr. Detlef Kurth, Professor für Stadtplanung, TU Kaiserslautern
Hon.-Prof. Martin zur Nedden, Institutsleiter des DIFU a.D. und Professor für Stadtentwicklung und Regionalplanung, HTWK Leipzig
Prof. Christa Reicher, Leiterin des Instituts für Städtebau und europäische Urbanistik und , Professorin für Städtebau und Entwerfen, RWTH Aachen University
Prof. Stefan Rettich, Professor für Städtebau, Universität Kassel
Hon.-Prof. Dr. e.h. Christiane Thalgott, Stadtbaurätin München a.D. und Professorin für Strategie und Umsetzung in der städtebaulichen Planung, TU München
Prof. Yasemin Utku, Professorin für Städtebau und Planungspraxis, TH Köln
WEITERE UNTERZEICHNER*INNEN
RWTH AACHEN
Prof. Dr. Frank Lohrberg , Professor für Landschaftsarchitektur, RWTH Aachen
Prof. Dr. Carola S. Neugebauer, Professorin für kulturelles Erbe, RWTH Aachen
FH AACHEN
Prof. Stefan Werrer, Lehrgebiet Städtebau, FH Aachen
Prof. Annelie Klasen-Habeney , Lehrgebiet Städtebau, FH Aachen
TU BERLIN
Prof. Dr. Angela Million, Professorin für Städtebau und Siedlungswesen, TU Berlin
Prof. Dr. Philipp Misselwitz, Professor für Städtebau und Internationale Urbanistik, TU Berlin
Prof. Dr. Mitschang, Professor für Orts-, Regional- und Landesplanung, TU Berlin
Prof. Elke Pahl-Weber, Professorin für Bestandsentwicklung und Erneuerung von Siedlungseinheiten, TU Berlin
UDK BERLIN
Prof. Markus Bader, Professor für Entwerfen und Gebäudeplanung, UdK Berlin
HS BIBERACH
Prof. Ute Meyer, Professorin für Städtebau und Entwurf, Hochschule Biberach
HS BOCHUM
Prof. Ulrike Beuter , Professorin em. für Landschaftsarchitektur, Hochschule Bochum
HS BREMEN
Prof. Dr. Eberhard Syring, Professor für Baugeschichte und Architekturtheorie, Hochschule Bremen
Prof. Dr. Christian von Wissel, Professor für Stadttheorie, Hochschule Bremen
BTU COTTBUS
Prof. Inken Baller, Professorin em. für Entwerfen und Bauen im Bestand, BTU Cottbus
TU DARMSTADT
Prof. Dr. Nina Gribat, Professorin für Entwerfen und Städtebau, TU Darmstadt
Prof. Tom Sieverts, Professor em. für Städtebau und Siedlungswesen, TU Darmstadt
FH DORTMUND
Prof. Christian Moczala , Professor für städtebauliches Entwerfen, FH Dortmund
TU DRESDEN
Prof. Melanie Humann, Professorin für Urbanismus und Entwerfen, TU Dresden
UNIVERSITÄT DUISBURG-ESSEN
Prof. Dr.-Ing. M. Arch J. Alexander Schmidt , Professor em. für Stadtplanung und Städtebau, Universität Duisburg-Essen
HS ERFURT
Prof. Dr. habil. Nicolai Roskamm, Professor für Planungstheorie, Stadtbaugeschichte und nachhaltiger Städtebau
Prof. Dr. Heidi Sinnig, Professorin für Stadtplanung und Kommunikation, Fachhochschule Erfurt
Prof. Dr. Reinold Zemke, Professor für Planungsrecht und Projektentwicklung, Fachhochschule Erfurt
FH FRANKFURT
Prof. Dr. Maren Harnack, Professorin für Städtebau und Entwerfen, Frankfurt University of Applied Sciences
Prof. Dr. Michael Peterek, Professor für Städtebau und Entwerfen, Frankfurt University of Applied Sciences
HCU HAMBURG
Prof. Dr. Jörg Knieling, Professor für Stadtplanung und Regionalentwicklung, HafenCity Universität Hamburg
LU HANNOVER
Prof. Tim Rieniets, Professor für Stadt- und Raumentwicklung, Leibniz Universität Hannover
Prof. Dr. Hille von Seggern, Professorin em. für Freiraumplanung, Entwerfen und städtische Entwicklung, Leibniz Universität Hannover
TU KAISERSLAUTERN
Prof. Dr. Holger Schmidt, Professor für Stadtumbau und Ortserneuerung, TU Kaiserslautern
UNI KASSEL
Prof. Christel Drey, Professorin em. für Städtebau, Universität Kassel
Prof. Philipp Oswalt
Professor für Architekturtheorie und Entwerfen, Universität Kassel
Prof. Ariane Röntz , Professorin für Landschaftsarchitektur I Entwurf, Universität Kassel
FH MÜNSTER
Prof. Joachim Schultz-Granberg, Professor für Städtebau, FH Münster
HS OSNABRÜCK
Prof. Dr. Johanna Schoppengerd , Professorin für Stadtplanung und Planungsrecht, Hochschule Osnabrück
TH Ostwestfalen-Lippe
Prof. Martin Hölscher , Professor für Städtebau, Stadt- und Regionalentwicklung, TH OWL
Prof. Kathrin Volk , Professorin für Landschaftsarchitektur und Entwerfen, TH OWL
UNI SIEGEN
Prof. Dr. Thorsten Erl , Professor für Städtebau, Universität Siegen
Prof. Dr. Hilde Schröteler-von Brandt , Professorin für Städtebau, Universität Siegen
HFT STUTTGART
Prof. Dr. Christina Simon-Philipp, Professorin für Städtebau und Stadtplanung, Hochschule für Technik Stuttgart
UNI STUTTGART
Prof. Dr. habil. Christine Hannemann, Professur für Architektur- und Wohnsoziologie, Universität Stuttgart
BU WEIMAR
Prof. Dr. Barbara Schöning, Professorin für Stadtplanung, Bauhaus Universität Weimar
TU WIEN
Prof. Rudolf Scheuvens, Professor für Örtliche Raumplanung und Stadtentwicklungsplanung, TU Wien
HS WIESBADEN
Prof. Volker Kleinekort, Professor für Städtebau, Hochschule Wiesbaden
BU WUPPERTAL
Prof. Klaus Overmeyer, Professor für Landschaftsarchitektur, Bergische Universität Wuppertal
Prof. Dr. Tanja Siems , Professorin für Städtebau und Leiterin des Institut für Umweltgestaltung, Bergische Universität Wuppertal