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Venice Diaries: Donnerstag, 26.8.2010

Achtung, fertig, los: Biennale Preview Days! Schon in der Schlange am Arsenale die ersten bekannten Gesichter, jetzt geht das „Sehen und gesehen werden“ wieder los.

Der press room ist hinten auf dem Gelände, ich bin verspannt und ungeduldig und ärgere mich über weite Wege und Wartezeiten, zicke heute. Beschließe dann, alleine die sieben Räume als erstes zu durchschreiten und mir den Rest wann immer anzusehen. Wie gesagt, ungeduldig, also gleich mal von hinten anfangen.

Den Raum von Mark Pimlott + Tony Fretton verstehe ich nicht, aber das Auto ist schön. Nach links Olafur Eliasons Wasserarbeit: Fantastisch pragmatisch physikalisch, Zeit und Bewegung zerlegt in Moment und Ewigkeit.

Das Interviewstudio von Herrn Obrist rechterhand hat sich mit wenigen Gesten sehr schön verändert: Die von Sanaa entworfenen Stühle stehen vor den Untergestellen mit aufmontierten Bildschirmen, auf jedem Screen ein Interview im Dauerlauf. Die Stühle haben zwei schöne Details. Die Form der Sitzschale ist aus einer Skizze entwickelt, es ist keine geometrisch-rational abgeleitete, sie ist gewissermaßen eine nun in Massenproduktion hergestellte Handarbeit. Und die verbindende Metallplatte des Untergestells ist so ausgeführt, dass der Stuhl ohne Schale gleichzeitig ein Tischchen sein kann.

Aber weiter in den Raumfluchten: Zumtobel mit Francois Roche „nähern sich dem Licht von der dunklen Seite“.

Studio Mumbai Architects versammeln wunderschöne Materialproben, Modelle, gesammelte Steine, Hölzer, Pigmente. Es riecht gut, das Holz hat erdene Farben, es darf angefasst werden. Entschleunigt vorzüglich.

Neben mir wird diskutiert, dass das alles ja sooo japanisch sei, dass man ja noch keinen richtigen Zugang hätte. Einer erwidert, dass er, so banal meine er das aber nicht, es so schön ruhig fände, aber natürlich wäre das zu wenig. Er ist viel jünger als die anderen, kann nichts einfach mal so stehen lassen, die Herren sind ja schon wer, die wissen es bestimmt besser.

Die Reihenfolge wird unscharf. Da war die Wolke von Matthias Schuler von transsolar, Nebel an der Decke und verschlungenem Metallweg hindurch. Nichts für Höhenängstige wie mich. Anschließend ein almost nothing, dünne Plexifäden, die das Thema der Struktur und des Raumes berühren. Dann Fotos aus dem Iran, Bauten mit Platz und Menschen, Bauten mit Platz und Autos, ein Tryptichon mit Innenräumen fast ohne Menschen. People meet in Architecture? Irgendwie hat Sejima den Anspruch des 1:1 der letzten Architekturbiennale viel besser eingelöst. Poetisch, weil ruhig und gezielt gesetzt, respektvoll dem Ort und den Ausgestellten gegenüber.

Und dann ein Projekt, das mich zu Tränen rührt. Architecten de Vylder Vinck Taillieu haben für das von HdM/Ai Weiwei initiierte, mongolische „the Ordos 100 project“ sieben Häuser für ein Haus entworfen. Was? Also, sieben Häuser, Hausformen, so ineinander gesteckt, verschränkt, modelliert, dass sie zusammen ein Haus ergeben. Das kleine Modell sitzt am Boden auf einer großen Holzplatte, man sieht es aus der Vogelperspektive, aus der Flugzeugbeimlanden-Sicht. Das große Modell ist aufgeständert, darunter eine Spiegelfläche, man sieht den Grundriss als Projektion, vortrefflich!

Jetzt lässt mich meine Erinnerung komplett im Stich, da war noch mehr als der Lausanne-Film von Wim Wenders. Egal. Der Film ist schön, ist genauso ein Ding ohne Anfang und Ende wie das Gebäude, die Bibliothek der EPFL. Es wird gefahren, gegangen, geblättert, alles dauernd in Bewegung. Lustig, dass ich damals mit Friedrich den Zutritt über die Tiefgarage genommen habe. Wir haben lange diskutiert, ob es unehrlich ist, dass der Bau erscheint, als schwebe er, aber eigentlich erst mal eine große Grube für die Autos gegraben wurde, also die Erde sehr berührt wurde und es damit eben doch stark verwurzelt ist.

Ich bin froh, dass ich hinten angefangen habe, im ersten Raum – meinem letzten – ist eine ruhige Skulptur, ein runder Fels, hindurch gebrochen ein rechteckiges Loch ausgeschlagen mit Zedernholz, so einen behausenden Raum formulierend. Ein schönes Ende, meine Verspannung ist weg.

So häufig das Wort „schön“ in einem Text zu verwenden, ist peinlich, aber wahr.

Auf dem Heimweg fluche ich über die ergatterten Rezensionsexemplare, mir tropft der Schweiß von der Nase und ich kann ihn ob des zu Schleppenden noch nicht mal wegwischen. Morgen besser die Karte rüber reichen und das Ganze zuschicken lassen.

Abends dann von Party zu Party hüpfen, nur die Party war irgendwie nicht dabei. Ich vermisse den Berliner schmierhaarig bebrillten Fotografen, der einem das Gefühl gibt, am wichtigen Ort zu sein.