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Call, 12.12.2020

Petition: Zur Zukunft der Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main

an Oberbürgermeister Peter Feldmann, Kulturdezernentin Ina Hartwig, Baudezernent Jan Schneider

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Der Frankfurter Theaterbau von ABB Architekten ist ein herausragendes Beispiel dieses Bautyps aus der Ära der Nachkriegsmoderne, die derzeit besonders in Deutschland als Teil unseres baukulturellen Erbes entdeckt und auch denkmalfachlich gewürdigt wird. Der Theaterbau hat in Frankfurt Stadtgeschichte geschrieben und Identität gestiftet. Er war über Jahrzehnte einer der prägenden Orte des kulturellen Lebens der Stadt, in dem auch immer wieder gesellschaftlich relevante Diskurse ausgetragen wurden. Es ist ein Ort bürgerlicher Öffentlichkeit, in dem die Stadtgesellschaft über ihre Gegenwart und Zukunft nachgedacht und gestritten hat. Das Haus mit seinem großen urbanen Glasfoyer, das sich der Stadt zuwendet und es als eine Bühne des öffentlichen Lebens inszeniert, ist ein Symbol für ein neues, auf demokratische Teilhabe ausgerichtetes gesellschaftliches Selbstverständnis Westdeutschlands nach 1945. Die in den Bau integrierten Gemälde von Marc Chagall und die Goldwolken des jüdisch-ungarischen Künstlers Zoltán Kemény sind zugleich einzigartige Beispiele eine architekturbezogenen Kunst ihrer Epoche.

Sieben Jahre hat sich die Stadt Frankfurt am Main mit der Frage befasst, wie die städtischen Bühnen baulich saniert oder erneuert werden können und hierfür mehrere Millionen Euro für die Untersuchungen ausgegeben. Die Betrachtung erschöpfte sich aber weitgehend in bautechnischen Analysen. Eine konzeptuelle Debatte, welche Art von Theater für die Zukunft in Frankfurt angestrebt ist, gab es so gut wie nicht. Allen Planungen lagen soweit bekannt die maximalen Forderungen der Intendanz zu Grunde, welche die funktionale und technische Optimierung ihrer Spielstätten anstrebt, ohne abwägende Rücksicht auf die Bedingungen des vorhandenen Bauwerks und des jetzigen Standorts. Auch fehlten perspektivische Überlegungen, wie das Stadttheater sich in den nächsten Jahrzehnten entwickeln sollte.

Die Stadtverordnetenversammlung beschloss im Januar 2020, das Theater durch einen Neubau zu ersetzen. Dies zeugt von Geschichtsvergessenheit. Notwendig ist eine transparente, öffentliche Debatte, wie das zukünftige Stadttheater als ein zentraler Ort bürgerlicher Selbstverständigung der Stadtgesellschaft gestaltet werden kann.

Die Anfang März initiierte Petition zur Zukunft der Bühnen Frankfurt an den Magistrat der Stadt Frankfurt am Main haben binnen drei Wochen 4.000 Personen unterzeichnet. Zu diesen gehören Architekt*nnen wie Claus Anderhalten, Inken Baller, Winfried Brenne, Albert Dietz,  Jürgen Engel, Donatella Fioretti, Stefan Forster, Anett-Maud Joppien, Jochem Jourdan, José Gutierrez Marquez, Jorunn Ragnarsdottir, Florian Riegler, Tobias Wallisser und Günter Zamp Kelp, Theatermacher*innen wie Bjoern Auftrag, Hans-Ulrich Becker, Alexander Brill, Andre Bücker, Amelie Deuflhard, Olivia Ebert, Elisabeth Gabriel, Wolf Gutjahr, Eleonora Herder, Rudi Knauss, Liese Lyon, Alexander Müller-Elmau, Heike Schuppelius, Lore Stefanek und Anna Viebrock, Künstler*innen wie Annesley Black, Folke Köbberling, Emil Mangelsdorff, Olaf Nicolai, Cornelius Schwehr, Mathias Spahlinger und Erik Spiekerman; Wissenschaftler*innen und Kurator*innen wie Micha Brumlik, Adrian von Buttlar, Kristin Feireiss, Brigitte Franzen, Werner Kühlbrandt, Fritz Neumeyer, Anh-Linh Ngo, Christiane Nüsslein-Vollhardt, Klaus Ronneberger, Christian Schmid, Stephan Trüby, Kai Vöckler, Wolfgang Voigt, Wilfried Wang und Karin Wilhelm. Zu bekannten Frankfurter Unterstützer*innen der Petition gehören auch Marietta Andreas, Tom Königs, Ata Macias, Anny Öztürk, Rupert v. Plottnitz und Ulrike Schiedermair.

Die Initiative setzt ihre Aktivitäten fort und geht dieser Tage mit einer Informationsplattform im Internet unter der Adresse zukunft-buehnen-frankfurt.de online. Ihr Ziel ist es, auf der Grundlage einer unvoreingenommenen Diskussion die bisher fehlende Transparenz herzustellen sowie die in dem Planungsprozess mangelhaft behandelten Inhalte zu adressieren. Zum selben Zweck plant die Initiative ab Herbst diesen Jahres auch Veranstaltungen in Kooperation mit dem Arch+ Verein zur Förderung des Architektur- und Stadtdiskurses e.V. sowie der Goethe-Universität Frankfurt und Frankfurt University of Applied Sciences durchzuführen. Zur Finanzierung beider Aktivitäten wird zu Spenden aufgerufen.

Die Initiative fordert:

Zum Planungsprozess

·       Eine Debatte der Stadtgesellschaft, um zu klären, was sie von den Städtischen Bühnen erwartet, bevor planerische Festlegungen getroffen werden; hierauf aufbauend die Entwicklung einer Nutzungskonzeption.

·       Überprüfung der funktionalen Anforderungen der Intendanz. Zum Erhalt des Standortes bei vertretbaren Kosten sind die Auslagerung von Werkstätten und Probebühnen ebenso wie Interimslösungen mit reduzierter Bühnentechnik und Ausstattung als Optionen zu prüfen. Die Erwägung, den Bau von Interimslösungen mit der Entwicklung von Kulturcampus und Kinder- und Jugendtheater zu verknüpfen, könnte durch Bündelung bisher getrennt verfolgter Vorhaben Kosten sparen.

·       Offenlegung des Abschlussberichts des Planungsteams und des Abschlussberichts des Validierungsteams von Januar 2020.

Zum baulichen Erbe

·       Eine Debatte zum Stellenwert der Nachkriegsarchitektur für das Selbstverständnis der Stadt Frankfurt.

·       Eine bauhistorisch-denkmalpflegerische Dokumentation und Analyse der bestehenden Doppelanlage von ABB Architekten (Otto Apel, Hannsgeorg Beckert, Gilbert Becker) von 1963.

·       Denkmalpflegerische Unterschutzstellung des Wolkenfoyers und der anderen schützenswerten Gebäudeteile.

·       Erhalt und Restaurierung des Wolkenfoyers.

·       Berücksichtigung von Fragen der grauen Energie und Nachhaltigkeit bei der Abwägung der Planungsalternativen.

Zum Standort

·       Erhalt des Standorts von Schauspiel und Oper.

·       Keine Privatisierung des Grundstücks.


Alle Informationen unter zukunft-buehnen-frankfurt.de

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