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Bettina Pousttchi. In Recent Years

Ausstellung 12.9.19–6.4.20: Berlinische Galerie

Bettina Pousttchi: <i>In Recent Years</i>. Ausstellung in der Berlinischen Galerie, 12.9.2019–6.4.2020. Foto © Alexander Kilian
Bettina Pousttchi: In Recent Years. Ausstellung in der Berlinischen Galerie, 12.9.2019–6.4.2020. Foto © Alexander Kilian
FLEXION / REFLEXION

Rezension zu Bettina Pousttchis Ausstellung In Recent Years in der Berlinischen Galerie

Eine weißes Muster aus vertikalen, horizontalen und diagonalen Linien bedeckt derzeit die Glasfassade der Berlinischen Galerie. Die strukturelle Strenge erinnert an Fachwerk, gleichzeitig könnte das Ornament in seiner Feinheit und der Art, wie Linien in Punkten zusammenkommen, auch auf textile Spitze verweisen. Vor allem das Motiv der Raute hebt sich als geometrische Einheit hervor – eine wiederkehrende Form auch in orientalischen Kulturen. Berlin Window ist der Name dieser ortsspezifischen Arbeit, die die in Berlin lebende Künstlerin Bettina Pousttchi (*1971) im Rahmen ihrer Ausstellung In Recent Years in der Berlinischen Galerie zeigt. Ihre ornamentale Fassadengestaltung ist ein Störelement in der sonst klaren, kubistischen Formensprache des Gebäudes – ein vor rund fünfzehn Jahren getätigter Umbau eines ehemaligen Glaslagers der 1960er-Jahre zum Museum. Mit ihrer Arbeit lenkt Pousttchi den Blick auf den urbanen und historischen Kontext und befragt die Architektur danach, wie sie kulturelle Identität repräsentiert, und vor allem welche.

Diese Auseinandersetzung mit öffentlichem Raum setzt sich in den Ausstellungshallen fort. Für die zwischen 2008 und 2016 entstandene Serie World Time Clock fotografierte die Künstlerin insgesamt 24 Uhren im Außenraum in 24 verschiedenen Zeitzonen der Welt. Die Uhren zeigen immer dieselbe Zeit, fünf Minuten vor zwei. Durch die streng gehängte Reihung suggerieren die Fotografien eine globale Gleichzeitigkeit – ein Kommentar auf die Einführung der standardisierten Zeitrechnung, die um 1850 forciert von britischen Wirtschaftsinteressen eine Weltmitte definierte, mit der als Begleiterscheinung auch die vermehrte Präsenz von Uhren im Stadtbild einherging.

Die Skulpturengruppe Vertical Highways besteht aus fünf rund 2,5 Meter hohen Objekten aus verformten Leitplanken, die nach Berliner Straßennamen betitelt sind. Das massive Material bekommt durch Pousttchis Bearbeitung einen nahezu filigranen, tänzerischen Charakter. Anthropomorph sind auch die nach Berliner Straßennamen benannten Objekte aus der Werkgruppe Bike Squeezer / Tree Squeezer aus verformten und ineinander verschränkten Fahrradständern und Baumschutzbügeln. Im geschützten Rahmen des Museums erlangt das zu Figuren arrangierte Straßenmobiliar ein neues Leben – es ist alles eine Frage des Kontexts.

Dorothee Hahn

 

Bettina Pousttchi In Recent Years

Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124–128, 10969 Berlin
12. September 2019 – 6. April 2020
Öffnungszeiten: Mi–Mo, 10–18 Uhr 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Zeitgleich zeigt das KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst vom 1.9.19 bis 10.5.20 die ortsspezifische Arbeit Bettina Pousttchi. Panorama: www.kindl-berlin.de/pousttchi

 
 
 


Bettina Pousttchi
wurde 1971 in Mainz geboren und lebt in Berlin. Sie studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und absolvierte das Whitney Independent Study Program in New York. Große Bekanntheit erlangte sie durch ihre Fotoinstallation Echo (2009/2010), mit der sie an der Fassade der Temporären Kunsthalle Berlin ein Nachbild des damals gerade abgerissenen Palastes der Republik errichtete. In den vergangenen Jahren hat sie zahlreiche internationale Einzelausstellungen realisiert, so am Hirshhorn Museum and Sculpture Garden in Washington DC, dem Arts Club of Chicago, der Phillips Collection in Washington, D.C., dem Nasher Sculpture Center in Dallas, der Schirn Kunsthalle Frankfurt und der Kunsthalle Basel.