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Recommendation

Make_Shift: The expanded field of critical spatial practice

Internationale Konferenz an der TU Berlin
am 6. Oktober 2012 von 11 bis 19 Uhr.

Institut für Architektur, Straße des 17. Juni 152, A151

Der Begriff „Makeshift“ bezeichnet eine politisch zweckdienliche oder einfallsreiche Lösung und indiziert, dass etwas – zeitweilig oder permanent – fehlt. In diesem Titel der Konferenz ist der Begriff zweigeteilt, um auf die zwei Komponenten zu verweisen, die für das Kernthema selbstgenerierter, informeller Raumplanung von zentraler Bedeutung sind: zum einen der Aspekt des Machens – des „do-it-yourself“, zum anderen „shift“ – die Verschiebung, ein daraus ermöglichter Paradigmenwechsel. Makeshift impliziert zudem einen Mangelzustand bzw. fehlende Ressourcen. Dieses erweiterte Feld der urbanen Aneignungs- und Transformationsprozesse umfasst Planungsverfahren, künstlerische Raumstrategien, zivilgesellschaftliches Engagement und Aktivismus. Kurz gesagt: Es geht darum, die Re-imaginierung der Stadt und ihre räumlichen Potenziale vorzustellen.

Vor diesem konzeptionellen Hintergrund werden führende Expertinnen und Experten über Berlins aktuellen Status diskutieren und in einen internationalen Raumdiskurs einbetten. Die Zwischenräume, leerstehenden Immobilien und Brachen der Stadt sind mittlerweile stark umkämpft und können nicht mehr so leicht auf Zeit besetzt werden. Eine wachsende politische Lobby richtet sich heute an die Berliner Regierung, damit diese ihre aktuelle Praxis ändert, öffentliches Land an den höchstbietenden Kaufinteressenten abzutreten, um so auch Initiativen mit wenig Kapital, aber starken sozialen Programmen Möglichkeiten einzuräumen. Diese Initiativen generieren prototypische Aneignungen und partizipative Umgestaltungen urbaner Räume, die mitunter die Broschüre schmücken, die das „Unique Selling Point“ der Stadt für Investoren und die Tourismusindustrie bewerben.

Aber wie können sich diese Initiativen nachhaltig behaupten? Wie können urbane Initiativen, die sich „von unten“ her entwickelt haben, über minimale finanzielle Mittel verfügen und rechtlich einen prekären Status besitzen, auf lange Sicht in die Stadtplanung verankert werden?  Wie können die verschiedenen Akteure und Stakeholder vermeiden, dass sie zukünftig von den rein profitgetriebenen Interessen an städtischen Grundstücken überboten werden?  Ist es überhaupt möglich, den menschlichen Wert, der durch diese Formen des räumlichem Engagements und sozialen Unternehmertums entsteht – prozessgebunden, partizipativ, oftmals abseits von Planungsnormen, unter monetären, sozioökonomischen Gesichtspunkten als legitime und zunehmend unerlässliche Komponenten der Stadtentwicklung zu erfassen?

Die Berliner Stadtplanung blickt auf eine lange Geschichte des Lernens von kritischen alternativen Praktiken zurück. Die Bauausstellung IBA-Alt von 1984 war eine unmittelbare Reaktion auf die Hausbesetzungen und deren Protest gegen verordnete Kahlschlagsanierung. Die von Hardt-Waltherr Hämer in den 12 Richtlinien zur Stadterneuerung (1982/83) propagierte behutsame Stadterneuerung und das Stadtforum als Instanz hatten großen gestalterischen Einfluss auf die räumliche, soziale und wirtschaftliche Realität Berlins.

Angesichts anhaltender Defizite in den öffentlichen Haushalten ist urbane Ökonomie zunehmend der Schlüsselfaktor in Entscheidungsprozessen der Stadtentwicklung. Allerdings haben wir anscheinend wenig von unserer eigenen Geschichte gelernt. Das Ausmaß, in welchem Berlins urbane Wirtschaft und soziale Integration von Pionierprojekten und zivilgesellschaftlichem Engagement geformt wurde und wird, bedarf einer umfassenden Re-Evaluation. Die IBA 2020 könnte den idealen Rahmen liefern, urbane Ökonomie neu zu definieren und die Akteure kritischer Raumpraxis für eine aktive Teilhabe an der Stadtentwicklung zu ermächtigen.

Konferenzprogramm

11 Uhr
Begrüßung von Gabriele Horn, Direktorin KW Institute for Contemporary Art und
Prof. Jörg Stollmann, Chair for Urban Design + Architecture
Einführung von Francesca Ferguson, Urban Drift Projects

11.30 - 13.30 Uhr, Panel 1
Spatial Agency – Vermittlung, Aktivierung, Intervention

Zur „Verräumlichung eines Verhandlungsprozesses durch die Konstruktion von Raum“ (Atelier d’architecture Autogerée). Warum sich auf die langen, oftmals unterfinanzierten und komplexen Verhandlunsprozesse einlassen, wie sie für ‚spatial agency’ zentral sind? Wir werden uns mit der Rolle des Designers, Architekten und Stadtplaners beschäftigen. Wie werden räumliche Strategien (oft selbstgeneriert, temporär, informell) verstanden und stellen sie nachhaltige Alternativen zu akzeptierten Stadtplanungsprozessen dar?

Einführung von Francesca Ferguson
- Prof. Jeremy Till: Ko-Autor von „Spatial Agency“, neuer Dekan des Central St Martin’s College of Design, London.
- Liza Fior, Partnerin, muf architecture/art, London: Zum „kurzen Ungehorsam“, Vermittlung und Neuverhandlung von Stadtentwicklungsaufträgen und partizipativen Städtebaupraktiken.
- Prof. Wouter Vanstiphout, Crimson architect, Professor für Design und Politik an der TU Delft und Mitbegründer von Crimson Architectural Historians, Rotterdam: Zur Politik von Raumgestaltungsstrategien und spatial agency.

Anschließend Diskussion mit eingeladenen Gesprächspartnern und Gästen

13.30 - 14.30 Mittagspause


14.30 - 16.30 Uhr, Panel 2
Urban Open Source

Wie vorgehen: Fallstudien partizipativer Gestaltungsprozesse, kollektive Designansätze, Design-Incubators. Wie funktioniert das effektive Management von Projekten der Stadtentwicklung, bei denen Anwohner und Mitglieder der Öffentlichkeit mit einbezogen werden? Sind diese Prozesse nachhaltig und eignen sie sich dazu, Teil der renditegesteuerten Projektentwicklung der Immobilienwirtschaft zu werden? Inwiefern ist kritische räumliche Praxis im Sinne von sozialer Unternehmerschaft wertvoll?

Einführung von Francesca Ferguson

- Doina Petrescu, Constantin Petcou, Atelier d’architecture autogérée: Das partizipative Programm Colombes, Paris, Gewinner des Zumtobel Awards 2012.
- Marco Clausen, Mitbegründer der Prinzessinnengärten: Partizipative Designprozesse, kollektive ökologische Verantwortung und wie man im Rahmen eines prekären rechtlichen Konstrukts trotzdem eine nachhaltige Logik der Partizipation umsetzen kann.
- Andreas Krüger, Modulor Projekt GmbH.
- Ines-Ulrike Rudolph, Tempelhof Projekt GmbH: Die Verhandlungen um ‚urbane Pioniere’ und Entwickler im Tempelhofer Feld, Berlin.

Anschließend Diskussion mit eingeladenen Gesprächspartnern und Gästen

16.30 - 16.45 Uhr Kaffepause

16.45 - 19 Uhr, Panel 3
„Solidarökonomie“: Zur Finanzierung neuer Modelle räumlichen Engagements und kollektiver urbaner Gestaltung
Alternative urbane Ökonomien, einfallsreiche Designansätze und „störende“ Geschäftsmodelle. Stellen „von unten“ aus entwickelte, kollektive urbane Initiativen wertvolle Alternativen zu offiziellen Planungsprozessen dar oder gehören diese Formen der Mikro-initiativen eher zu einer Art „Ersatzökonomie“ und sind damit Treibstoff gerade auch für die neoliberale Agenda, in der sich der Staat im Hinblick auf die sozialen und öffentlichen Dimensionen von Architektur und Design zunehmend zurückzieht? Wie können alternative Wirtschaftsmodelle in architektonische Planungs- und Bauprozesse sinnvoll eingegliedert werden?
Es ist Zeit, dass sich unsere Berufssparte sich langsam auf ein evidenzbasiertes Modell ausrichtet: qualitativ und quantitativ; auf eine Praxis, bei der es nicht so sehr um das Bauen geht, sondern darum, Nutzungsbedingungen zu schaffen, die Gebäude zu alltäglichen, wertschaffenden Kapitalanlagen machen – und zwar im Sinne der Nutzungsökonomie und nicht im Sinne einer Ökonomie der Transaktionen. Inderpaul Johar, 00:/ Architects.

Einführung von Prof. Jörg Stollmann

- Prof. Jörg Stollmann, Professor für Städtebau und Architektur TU Berlin, Gründer von urban inform.net: Zu produktiven öffentlichen Räumen, Stadträumen des Lernens (Die Akademie einer neuen Gropiusstadt) und städtebaulichen Mikro-Businessmodellen.
- Dr. Fran Tonkiss, Leiter des „Cities“ Programms an der London School of Economics and Political Science: Zu Formen des „sozialen Kapitals“, urbanen Ökonomien und Steuerungsmodellen.
- Andreas Wirz, Dipl. Architekt ETH, archipel – Planung und Innovations GmbH, Vorstand Wohnbaugenossenschaften Zürich: Remix-Architektur. Alternative Entwicklungsmodelle für Land im öffentlichen Eigentum, neue Konzepte für sozial und ökonomisch gemischter Wohnhäuser, adaptive Wiederverwertung.
- Dr. Michael LaFond, ID22 und Experiment City: Zu nachhaltigen Stadtmodellen und alternativen urbanen Ökonomien: in Berlin und weltweit.

Abschließend ein Round Table mit den Teilnehmern, Gesprächspartnern und Gästen

Ende ca. um 19 Uhr, Eintritt frei