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Forum Commoning Berlin

Samstag, 23. Juni 2018, 16–20 Uhr
Studio 1 / Bethanien, Mariannenplatz 2, 10997 Berlin

 

 

COMMONING BERLIN: ZEIT – RESSOURCEN
Bestand, Betriebssysteme, Alltagspraxis und planerische Agencies


Forum im Rahmen von An Atlas of Commoning: Orte des Gemeinschaffens, einer Tourneeausstellung des ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) in Zusammenarbeit mit ARCH+

Konzept: coop.disco (Robert Burghardt, Anna Heilgemeir, Dagmar Pelger, Niloufar Tajeri)

 

Die ifa-Tourneeausstellung An Atlas of Commoning: Orte des Gemeinschaffens behandelt drei Spannungsfelder, innerhalb derer sich die Aushandlungsprozesse des Gemeinschaffens abspielen: Eigentum – Zugang, Produktion – Reproduktion sowie Recht – Solidarität. Das Forum Commoning Berlin ergänzt die Ausstellung um den lokalen Kontext Berlins und um ein viertes Spannungsfeld: Zeit – Ressourcen.

Gemeinschaffen (Commoning) ist ein Prozess, der von Gemeinschaffenden (Commonern) Zeit und Ressourcen beansprucht. Beides bildet die Voraussetzung für den Prozess, der die Gemeingüter (Commons) sichtbar, erfahrbar und zugänglich macht sowie politische und gesellschaftliche Debatten, Aushandlungen sowie Veränderungen anstößt. Die „Erträge“ des Gemeinschaffens – Zugang, Verfügbarkeit und Erhalt der Gemeingüter – sind von hohem Gemeinnutz. Sie machen städtische Räume zu Orten kooperativer Re/Produktion. In diesem Prozess müssen sich Planer*innen heute positionieren und ihr professionelles Selbstverständnis neu ausrichten. Als Teil der Gesellschaft beginnen sie, gemeinsame Aufgaben mit anderen Beteiligten zu erfüllen: Sie werden zu Agent*innen, die in verschiedenen Konstellationen mit Nutzer*innen, Politik und Verwaltung an einer anderen, Gemeingut schaffenden Raumproduktion zusammenarbeiten. Sie werden zu Commonern und praktizieren Architektur als potentielle Commons.

Wo stehen wir heute und welchen Fragestellungen, Herausforderungen und Hürden stehen wir gegenüber? Wie kann eine Langfristigkeit des Gemeinschaffens gesichert werden? Welche Rolle spielen zeitliche, finanzielle und räumliche Ressourcen? Wie können nutzerbestimmte und planerische Fragen in der kooperativen Re/Produktion von Stadt zusammengeführt werden?

 

PROGRAMM

16:00 Uhr Begrüßung und Einführung

16:30 Uhr Asli Varol (Campus Cosmopolis) + Fatuma Musa Afrah (Campus Cosmopolis)
Campus Cosmopolis ist eine Initiative von Berliner*innen mit und ohne Fluchterfahrung, die mitten in der Stadt einen Ort für selbstbestimmtes und gemeinschaftliches Wohnen und Lernen verwirklicht. Im Zentrum des Projekts steht ein umfassender Beteiligungsprozess mit den zukünftigen Bewohner*innen, der bereits vor dem Einzug in das gemeinsame Haus zur Bildung einer lebendigen und solidarischen Gruppe beiträgt. Wie gelingt die Einbindung und Ermächtigung von Nutzer*innen, die in der aktuellen Planungspraxis nicht involviert sind? Wie verändern diese Bedingungen die Planungspraxis und die Rolle der Planenden?

17:00 Uhr Q&A

17:15 Uhr Tashy Endres + Ahmet Tuncer
Das Gecekondu von Kotti & Co am südlichen Kottbusser Tor ist nachbarschaftlicher Treffpunkt, Beratungs- und Anlaufstelle und räumliches Manifest der mietenpolitischen Bewegung. Es ist zugleich ein Raum, der in Koproduktion vieler Nachbar*innen entstanden ist. Tashy Endres und Ahmet Tuncer waren Teil des Bauprozesses und werden darüber sprechen, welche Anliegen und Ressourcen, welche Form der Arbeit und Beziehungen entscheidend für die gemeinsame Gestaltung und Umsetzung waren. Wie kann aus, durch und für die Unterschiedlichkeit aller Beteiligten ein gemeinsamer Raum und eine gemeinsame (stadtpolitische) Praxis entstehen? Und was bedeutet dies für eine diskriminierungs- und machtkritische Architekturausbildung?

17:45 Uhr Q&A

18:00 Uhr Pause

18:15 Uhr Geraldine Dening (Architects for Social Housing) + Tom Keene (Cressingham Gardens Estate)
Im Rahmen des Estate Regeneration Programme wird in Großbritannien großflächig sozialer Wohnungsbau aus der Nachkriegszeit abgerissen und nicht wiederhergestellt. Architects for Social Housing haben sich 2015 als Antwort auf die Wohnungskrise in London gegründet und engagieren sich seither in der Entwicklung von Alternativen gegen den Abriss. In West Kensington & Gibbs Green Estates sowie Central Hill Estates, ssowie Cressingham Gardens Estate haben sie eng mit den Bewohner*innen zusammengearbeitet, um Entwürfe zur Nachverdichtung und Verbesserung der Bestandsgebäude zu entwickeln. Worin lagen die Herausforderungen, was waren die Konsequenzen für die Entwürfe und Planungsprozesse?

18:45 Uhr Q&A

19:00 Uhr Forum
Das anschließende Forum ist als Plattform angelegt, in dem es durch die Inputs von Planer*innen und Nutzer*innen nicht um die repräsentative Darstellung von Einzelpositionen von Planenden und Architekt*innen gehen soll, sondern um die Aushandlung einer gemeinsamen Praxis und Ökonomie architektonischer Arbeit als Commoning: Welche Arbeitsbedingungen und Strukturen ermöglichen eine Entwurfs- und Planungspraxis des Gemeinschaffens, welche verhindern sie? Ist die Formulierung einer radikalen Gegenposition zum vorherrschenden Wettbewerbssystem oder der praxisüblichen Konkurrenz möglich? Koproduzieren, kooperieren, kollektiv Bauen – was bedeutet das in Theorie und Praxis? Und wie findet die Verschaltung mit der Selbstorganisation, dem Commoning der Nutzerinnen und Nutzer statt? Im Forum wird mit dem Publikum sowie den eingeladenen Expertinnen und Experten aus Zivilgesellschaft, Nutzerschaft, Planung, Kunst, Verwaltung und Politik diskutiert, welche Alltagspraxen und planerischen Agencies bisher zu Prozessen des Gemeinschaffens beigetragen haben, welche Rolle die Disziplin der Planenden und Stadtforschenden dabei spielt, welche Modellprojekte und Betriebssysteme dafür ausschlaggebend waren und ob der Bestand als Ressource nicht unser wichtigstes weiterzuentwickelndes Gemeingut sein muss.


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Asli Varol studierte Architektur an der TU Berlin und befindet sich seit 2016 im Masterstudium an der UdK Berlin. Ihr Fokus liegt auf Möglichkeiten einer sozial ausgeglichenen Stadtentwicklung, insbesondere durch Partizipations- und Aneignungsprozesse. Seit 2015 engagiert sie sich als Initiatorin und Planerin in der Initiative Campus Cosmopolis.

Fatuma Musa Afrah ist Aktivistin, Motivational/Keynote Speaker und Beraterin. Ihre Schwerpunkte sind die Ermächtigung von Frauen, Menschenrechte, soziale Inklusion und der Zugang zu Information. Dafür bringt sie leidenschaftlich ihre Erfahrung ein, sei es in Berlin, Somalia, Kenia oder Brandenburg. Sie ist Initiatorin der United Action e.V.

Tashy Endres ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der UdK Berlin und promoviert zu diskriminierungs- und machtkritischen Bildungsansätzen für zukünftige Architekt*innen. Sie arbeitete u.a. bei Decolonizing Architecture und co-übersetzte Hollow Land von Eyal Weizman. Sie war und ist aktiv bei Occupy Wall Street in New York, der Mieterinitiative Kotti & Co und der Initiative Deutsche Wohnen & Co Enteignen in Berlin.

Ahmet Tuncer ist Mitglied der Mietergemeinschaft Kotti & Co. Er stammt aus einer Zimmermannsfamilie und studierte Maschinenbau an der TFA Berlin. Seit 1969 lebt er mit seiner Familie am Kottbusser Tor und hat viele Läden und Wohnungen der Nachbarschaft gestaltet und ausgebaut, in denen er heute als gern gesehener Gast ein- und ausgeht. Er engagiert sich seit über 40 Jahren ehrenamtlich in unterschiedlichen Vereinen und Verbänden.

Geraldine Dening studierte Architektur an der Cambridge University und an der Bartlett School of Architecture London. Sie ist leitende Architektin des Kollektivs Architects for Social Housing (ASH), das sie im März 2015 mitgründete, um architektonisch auf die Wohnungskrise in London zu reagieren. Sie betreibt ein Architekturbüro in London und lehrt an der Leicester School of Architecture.

Tom Keene ist Aktivist, Künstler, Forscher und Bewohner des Cressingham Gardens Estate in London. Seit 2012 engagiert er sich bei der @savecressingham-Kampagne gegen den vom Lambeth Borough Council forcierten Abriss von Cressingham. In seiner PhD-Forschungsarbeit zu den Herausforderungen von Stadterneuerungen bringt er Kunst, Aktivismus und Kritische Theorie der Technologie zum Einsatz.


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coop.disco ist eine transdisziplinäre Kooperative aus Freischaffenden, die Expertise in Architekturpraxis und -theorie, Stadtplanung und –forschung und gemeinwohlorientierte Projektentwicklung vereinen. Die Arbeit umfasst Neu- und Umbauten für nicht-eigentumsorientierte Auftraggeber*innen, konzeptionelle und künstlerische Arbeiten sowie Studien und Tätigkeiten im akademischen und publizistischen Kontext.

Robert Burghardt arbeitet als freischaffender Architekt in der Kooperative coop.disco und publiziert und forscht mit Schwerpunkt auf Nutzer*innen-initiierte Architektur. Lehre an der Adbk Nürnberg, der Adbk München, dem KIT Karlsruhe sowie an der HCU in Hamburg. Er stellte eigene Arbeiten u.a. auf der Architekturbiennale in Venedig und in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst in Berlin aus.

Anna Heilgemeir studierte Architektur an der TU Berlin und ist seit 2011 als Architektin an der Entwicklung und Realisierung konkreter kollektiver selbstorganisierter Projekte in Berlin tätig. Sie arbeiten u.a. in der Initiative Stadt von Unten an Modellen für eine langfristig gesicherte, inklusive Stadt als Gemeingut. Seit 2014 lehrt sie am Chair for Urban Design an der TU-Berlin.

Dagmar Pelger studierte Architektur in Karlsruhe und Delft. Seit 2013 Lehr- und Forschungstätigkeiten in Architektur und Urban Design am KIT, der TU Berlin und der HCU Hamburg. Forschung zu Geschichte, Theorie und Aktualität von Spatial Commons als alternativer Stadtraumproduktion. Praxiserfahrung als Architektin in Brüssel und Berlin.

Niloufar Tajeri studierte Architektur in Karlsruhe. Lehr- und Forschungstätigkeit in Architekturtheorie an der TU Braunschweig sowie Bauplanung und Entwerfen am KIT Karlsruhe. Stipendiatin der Akademie Schloss Solitude. Forschung zu Großwohnbauten der Nachkriegszeit und ihrer Transformation. Mitherausgeberin der Publikation Kleine Eingriffe. Neues Wohnen im Bestand der Nachkriegsmoderne.