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Dahlemer Vorlesungen: Giovanni Battista Piranesi
Mittwoch, 10. April 2024, 19 Uhr
ARCH+ Space, Friedrichstraße 23a, 10969 Berlin
„Der Architektur ein Bewusstsein ihrer selbst zu geben”, einen Anspruch, den der Philosoph Klaus Heinrich aus der Perspektive der Zivilisationsgeschichte formulierte. Wie gelingt Wiederaufbau und Reparatur ohne Verklärung der Vergangenheit? In Giovanni Battista Piranesis Architekturvorstellungen sah Klaus Heinrich Unverarbeitetes und Verdrängtes im Material auftreten – als Verarbeitung zivilisatorischer Prozesse, als historisch-analytische Re-Konstruktion von Zeit und Raum.
Die Schauspielerin Katharina Marie Schubert liest ausgewählte Texte der Vorlesungen von Klaus Heinrich vom Wintersemester 1978/79 an der FU Berlin.
Klaus Heinrich hat aufgrund der Erfahrung des gesellschaftlichen Versagens im Nationalsozialismus seine wissenschaftliche Arbeit stets so ausgerichtet, dass sie dabei helfen sollte, „Prozesse der Zivilisationsgeschichte so weit wie möglich aufzuklären, um nicht zu widerstandslosen Objekten solcher Prozesse degradiert zu werden“. In diesem Zitat aus dem vorliegenden Vorlesungszyklus über Giovanni Battista Piranesi, der sich unmittelbar an die Schinkel-Vorlesungen anschließt, klingt bereits an, dass Klaus Heinrich den Zivilisationsbegriff nicht als Fortschritt hin zu einer höheren Kulturstufe begreift, sondern in der Zivilisationsgeschichte die Brüche, die Rückschläge, das Verdrängte stets mitdiskutiert: „Die Stadt, die Tradition, die Zivilisation, die ihre Gebrochenheit nicht nur aushält, sondern auch zur Schau stellt, schützt sich gerade dadurch gegen das Verdrängen und auf diese Weise gegen das Zerbrechen.“
Daher lehnte Klaus Heinrich die Rekonstruktion, wie sie in Deutschland als nostalgisches Unternehmen zur Wiederherstellung eines Idealbildes von Vergangenem betrieben wird, stets ab. Denn sie schützt nicht vor historischer Verdrängung und dem antiaufklärerischen Impetus des Historismus. Eine idealisierende rekonstruktive Architektur, die die Gebrochenheit der historischen Substanz der Stadt negiert und sie nicht als Teil der Tradition und des zivilisatorischen Prozesses begreift, missachtet Geschichte als empirischen Befund, als Substruktion für die Gegenwart. Indem sie gebrochene Bestandteile von Zivilisation abräumt, um eine oberflächliche, bildliche Ganzheitlichkeit herzustellen, gibt sie gerade die Geschichte, die sie zu schützen vermeint, dem Zerfall anheim.