Berlin Theorie – Politik des Raums im Neuen Berlin

Man hat sich mittlerweile schon fast daran gewöhnt, dass der Abriss denkmalgeschützter oder denkmalwürdiger Baubestände mit der Rekonstruktion verlorener Baudenkmäler und Stadtbilder Hand in Hand geht. Die damnatio memoriae und die Flucht in den postmodernen Attrappenkult erweisen sich nach wie vor als zwei Seiten der gleichen Medaille.

Ein genauerer Blick auf das retrospektive Bauen im Nachgang des Berliner Architekturstreites zeigt, dass gerade die sogenannte Portfolioarchitektur – Architektur, die auf ihre höchste Kompatibilität mit dem Immobilienmarkt hin angelegt ist und seit nun rund 20 Jahren zunehmend das Berliner Stadtbild prägt – ebenfalls als ideologisches Projekt zu begreifen ist.

Seit 1989 wurden in Berlin Flächen im Gesamtumfang von rund 21 Quadratkilometern oder 2.100 Hektar privatisiert. Das entspricht der zehnfachen Fläche des Berliner Tiergartens oder der sechsfachen Fläche des Tempelhofer Felds beziehungsweise der gesamten Ausdehnung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg.

Im Jahr 1990 verwalteten die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin fast 590.000 Wohnungen – 2010 waren es nur noch 270.000. Mit der Privatisierung der Liegenschaften von knapp 320.000 Wohnungen fand nach der Wieder­vereinigung die größte eigentums­recht­liche Um­­ver­teilung in der Geschichte Berlins statt.

Zalando Head­quarters, Rummelsburger Bucht, Axel Springer Campus, Areal Am Tacheles: Diese vier Projekte lassen die Mechanismen und Resultate der Immobilienwirtschaft wie unter einem Brennglas sichtbar werden und verdeutlichen, wie die von Profitmaximierung getriebene Raum­produktion die Stadt beeinflusst.

Berlin ist seit Jahren Ziel internationaler Kapitalströme, deren Ursprung oftmals durch aufwendig verschachtelte Firmenkonstruktionen und Kettenbeteiligungen im Ausland verschleiert wird. Hinzu kommt, dass internationale Register sehr ungleich verfasst sind und die Datenbanken in vielen Fällen kaum Rückschlüsse auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Berechtigten zulassen. Schließlich sind auch die hiesigen Register nur unzureichend: Das Auseinanderfallen von Grundbuch, Transparenz- und Handelsregister – um nur ein Beispiel zu nennen – erschwert es in vielen Fällen, die wirtschaftlich Berechtigen ausfindig zu machen.  

So ist es möglich, dass auch Kapital aus autoritären Regimen in die deutsche Hauptstadt fließt – eine Thematik, die vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges und der damit einhergehenden Sanktionspolitik der Europäischen Union neue Relevanz erlangt hat: Berlin war in den vergangenen Jahren ein beliebter Zielort russischer Oligarchen, die teils selbst dann noch Geschäfte vornehmen konnten, als sie bereits auf Sanktionslisten der EU standen. Das beweist der Fall Arkadij Rotenberg, der 2016 seine Anteile an einer Villa in Berlin-Schmargendorf verkaufen konnte, obwohl er seit 2014 auf einer europäischen Sanktionsliste geführt wird. Möglich war dies, da das Geschäft über eine zypriotische Holding abgewickelt wurde, hinter der sich Rotenberg verbarg.

Die Redaktion der ARCH+ hat sich vor diesem Hintergrund dazu entschieden, einen Artikel von Katalin Gennburg, Sprecherin für Stadtentwicklung, Bauen, Umwelt und Tourismus der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, frei zugänglich zu machen. Dieser erschien in ARCH+ 241 und beschäftigt sich mit der jüngeren Geschichte des Checkpoint Charlies, die ebenfalls durch dubiose Finanzkonstrukte und mutmaßliche Geldflüsse aus autoritären Regimen geprägt ist.

ExRotaprint ist ein Modell für eine andere Bodenpolitik, verpflichtet einer gesamt-gesellschaftlichen Perspektive, um Menschen und Nutzungen Raum zur Verfügung zu stellen, die in den üblichen Prozessen von Aufwertung und Vermarktung zugunsten des Profits verdrängt werden.

Obgleich sich die meisten von uns bis zu einem gewissen Grad in diesen Narrativen wiederfinden und sowohl die pädagogische und therapeutische Bedeutung von Kreativität als auch ihre Funktion als Lebenselixier durchaus schätzen, kritisieren wir ihre sozialräumlichen Auswirkungen.

Ab 1989 stieg der Status Berlins als das Mekka einer internationalen Rave-Kultur proportional zum Ausverkauf des öffentlichen Grund und Bodens. In dem Maße, in dem der Ruf der Berliner Clubkultur um die Welt ging, heizten die Clubs den europäischen wie den weltweiten Tourismus mit einem wechselnden Publikum an „Easyjet Ravern“ an.