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Foto: Michael Mehaffy via Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
ARCH+ news

In memoriam Christopher Alexander (1937 – 2022)

Nachruf von Nikolaus Kuhnert

Am 17. März 2022 starb Christopher Alexander 85-jährig in Binsted in der englischen Grafschaft Sussex. ARCH+ hat ihm 1984 die Ausgabe: „Christopher Alexander. Entwurf einer Pattern Language“ gewidmet. Darin haben wir seine Bücher „The Timeless Way of Building“ und „A Pattern Language“ auszugsweise als deutsche Erstveröffentlichung herausgebracht. 2006 ging die Ausgabe „Entwurfsmuster. Raster, Typen, Patterns, Script, Ornament“ unter dem Aspekt des regelbasierten Entwerfens noch einmal auf die Pattern Language ein.

Pattern Language
In den Sechziger Jahren waren von Christopher Alexander in Deutschland verschiedene Aufsätze erschienen, wie 1967 in der Zeitschrift Bauen und Wohnen „The City Is not a Tree“ und 1969 der Kongressbeitrag: „Major changes in environmental form required by social and psychological demands“ in der ARCH+. Sonst war von ihm nichts auf Deutsch erschienen. Und so war seine Rolle als Antipode zu der von Peter Eisenman dominierten amerikanischen Architekturdiskussion unbekannt und auch die Hoffnungen, die seine Arbeiten an der amerikanischen Westküste ausgelöst hatten. Ich kannte ihn, weil ich in den Siebziger Jahren an der RWTH Aachen das Seminar „Ästhetische Oppositionsbewegungen und soziale Reformbewegungen“ anbot und er zu den prägenden Figuren des Seminarstoffes gehört hatte.

Und so nahm ich dankbar die Anregung von Eduardo Vargas auf, der damals in Hannover lehrte und zu Entwurfsmethoden forschte, eine Ausgabe zu Christopher Alexander zu machen. Vargas war ein chilenischer Architekt, der Ende der 1950er-Jahre an der HfG Ulm studierte, dessen Architekturauffassung aber vor allem von Horst Rittel geprägt war. Vargas’ langjährige Beschäftigung mit der Formalisierung des Entwurfs führte zu einer Vielzahl von Studienarbeiten, die wir in der Christopher Alexander gewidmeten ARCH+ Ausgabe auch vorstellten.

Das Heft selbst ist durch die Zusammenarbeit mit Susanne Siepl entstanden. Sie verbrachte als Studentin von Eduardo Vargas ein Studienjahr an Christopher Alexanders „Center for Environmental Structure“ an der University of California, Berkeley, und war gerade nach Deutschland zurückgekehrt und dadurch bestens über Alexanders Arbeit informiert. Sie war verantwortlich für die Auswahl der Pattern und der Projekte von Christopher Alexander. Der Übersetzung der Pattern Language und von „The Timeless Way of Building“ lag die Rohübersetzung des Löcker Verlags zugrunde, die mir Hermann Czech als Herausgeber der deutschen Übersetzung der beiden Publikationen freundlicherweise überlassen hatte.

Wenn ich heute auf diese Ausgabe schaue, dann bin ich überrascht von der Euphorie, mit der ich damals die Pattern Language von Christopher Alexander in die deutsche Diskussion einzuführen versuchte. Das mag sicherlich an der Enttäuschung liegen, zu der die vorangegangene Auseinandersetzung mit der Wendung der europäischen Architekturdebatte durch Aldo Rossi geführt hatte. Und so habe ich begeistert die Akzentverschiebung von Alexander gefeiert: von der architects’ architecture zur people’s architecture, dass nämlich die Menschen ihre Umwelt selbst gestalten (und sie diese Kompetenz nicht mehr an andere abgeben).

2008 haben wir uns erneut mit der Pattern Language auseinandergesetzt. Genannt haben wir diese Ausgabe „Entwurfsmuster. Raster, Typen, Pattern, Script, Algorithmen, Ornament“. Diese Ausgabe ging unausgesprochen von der Annahme aus, dass die regelbasierten Entwurfsansätze der 1960er-Jahre als gescheitert zu betrachten sind. Im Falle von Christopher Alexander kam noch erschwerend hinzu, dass er sich von Prince Charles für seine Kampagne gegen die Moderne hatte einspannen lassen und manche seiner Pattern auf stereotype Menschenbilder basierten, so dass seine Position als reaktionär angesehen wurde.

Eingeleitet haben wir die erneute Auseinandersetzung mit Christopher Alexander mit einem Gespräch, das Rem Koolhaas und Hans Ulrich Obrist 2007 mit ihm geführt hatten. In diesem Gespräch spielen die Zweifel an der Brauchbarkeit der Pattern Language die zentrale Rolle, gleichwohl er an seiner Grundtendenz des Versuchs zur Formalisierung des Entwurfsprozesses festhält und als Lösung zur Überwindung der Schwächen der Pattern Language vorschlägt, den Entwurf als einen „generativen Prozess“ zu begreifen.

„Generative Prozesse können hingegen für die gebaute Umwelt das sein, was die DNA für einen Embryo oder eine Pflanze ist. In den zurückliegenden Jahrzehnten spielte das Konzept der DNA eine dominierende Rolle. Heute beginnen Biologen zu realisieren, dass sich die Gestalt von Pflanzen nicht wirklich von der DNA herleitet. Das ist sehr bemerkenswert, die DNA bestimmt zwar den Entstehungsprozess, aber die tatsächliche Form entsteht aus der physischen Entfaltung des geometrischen Objekts, das eine wachsende Pflanze ja ist. Diese morphogenetischen Prinzipien sind viel stärker als die ‚Pattern Language‘ es je war. Deshalb versuche ich sie zu formalisieren.“

Mit diesem banalen Beispiel aus der Biologie, nämlich wie eine Pflanze entsteht und gedeiht, und dass man, um sie zu verstehen, zwischen dem Entstehungsprozess und der physischen Entfaltung des geometrischen Objekts der Pflanze, zwischen DNA und morphogenetischen Prinzipien unterscheiden muss, benennt er seinen und den Irrweg der Sechziger Jahre schlechthin, aus der Struktur auf die Gestalt schließen zu können, heiße diese Struktur nun Pattern oder Typus. Die Folge dieses Fehlschlusses war, dass die Gestaltfindung Phantasmen einer „Qualität ohne Namen“ überlassen werden musste, wie es in „The Timeless Way of Building“ vielsagend heißt.

Christopher Alexander war sich jedenfalls am Ende seines Lebens dieser Misere seiner und damit auch meiner Generation bewusst.