Tilman Walther unterzieht die Räume des Mittelstands einer fotografischen Untersuchung. Er geht ihrer Materialität und Formation nach und skizziert neben der manifest gewordenen Alltagswelt eines Milieus auch das Selbstverständnis des Mittelstandes, der sich selbst gern im Windschatten der allgemeinen Aufmerksamkeit wähnt. Die gebaute Nüchternheit, die Walther (*1985) in seinen Fotografien festhält, gibt dabei Aufschluss über das Selbstverständnis des Mittelstandes, weniger an Repräsentation als an Zweck und Funktionalität interessiert zu sein. Seine Orte sind Infrastrukturen und Ordnungen von Leben und Arbeit.
Das vor Kurzem im Textem Verlag erschienene Buch Der Mittelstand – Bilder und Tabellen ist das Ergebnis mehrerer Wanderungen, die Walther über fünf Jahre hinweg durch die alten Bundesländer führte. Die Schwarzweißfotografien sind stets aus der Perspektive des Passanten aufgenommen und rücken neben Wohnhäusern der 1950er- und 60er-Jahre, Siedlungen seit den frühen 2000ern, Arbeitsstätten, sowie Transit- und Zwischenorte wie Spiel- und Parkplätze, Verbindungs- und Einkaufsstraßen, Kreuzungen und suburbane Landstriche ins Bild. Dass es sich um die Räume des Mittelstandes handelt, der weniger im urbanen als im suburbanen Raum anzutreffen ist, wird durch die Aufnahmen von Fabriken und Produktionsstätten ersichtlich, deren Schornsteine und Silos mal aus Wäldern, mal hinter Zäunen emporragen. Der sich dabei entfaltende Fotoessay ähnelt mehr einem heuristischen Unterfangen als einer Feldstudie. Über vergleichende Betrachtungen und Gegenüberstellungen kommen Familienähnlichkeiten innerhalb der gebauten Strukturen zum Vorschein, die über bloße stilistische architektonische oder strukturelle Eigenheiten hinausgehen. Einfriedungen, Raumbegrenzungen, Bodenmaterialien, Zäune, Erhebungen, Kanten – sie alle spiegeln die Ideen ihres Einsatzes und ihrer Planer wieder: Definitionen von Benutzungs- und Eigentumsverhältnissen, Unterscheidung von öffentlichem und privatem Raum, Markierungen von Grenzen und möglichen Funktionszusammenhängen; ein gestalterisches Zusammenspiel öffentlicher Auftraggeber und privater Entscheidungsträger, die einen Raum situieren und konstituieren.