Der Sachverständigenbeirat für Naturschutz und Landschaftspflege ist der Auffassung, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen (SenStadt) mit dem vorbereiteten Paket zum „Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben“ (Schneller-Bauen-Gesetz) das von ihr angestrebte Ziel, den Neubau von Wohnungen und sozialer Infrastruktur in Berlin schneller realisieren zu können, nicht erreicht. Stattdessen sollen die wichtige fachliche Zusammenarbeit und bewährte Strukturen mit dem Naturschutzbereich eingeschränkt werden.
SenStadt beabsichtigt die Änderung von wichtigen Normen, die Schutz, Erhaltung und Entwicklung von Natur und Umwelt betreffen. Damit soll das Bauen in Berlin beschleunigt werden, ohne dass diese Stellschrauben den erwünschten Effekt tatsächlich erwarten lassen. Die geplanten Änderungen betreffen z.B. das Berliner Naturschutzgesetz, das Landeswaldgesetz, das Berliner Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Baumschutzverordnung.
Berlin zeichnet sich durch wertvolle Naturschätze wie gesetzlich geschützte Biotope, alte Wälder und Bäume sowie weitere wertvolle Freiflächen aus, die Berlin international als lebendige, attraktive und lebenswerte Stadt auszeichnen. Berlins Grünflächen tragen ganz essentiell zur physischen und psychischen Gesundheit der Stadtbevölkerung bei, wie ihre Nutzung während der COVID-19-Pandemie eindrücklich gezeigt hat. Gleichzeitig dienen Stadtbäume und Grünflächen als naturbasierte, kostengünstige Lösungen für dringenden Klimaschutz und -anpassung unserer Stadt – hierauf sollte verstärkt Augenmerk in der Stadtentwicklung neuer und bestehender Quartiere gerichtet werden.
Der Gesetzesentwurf lässt allerdings nicht erkennen, dass die Natur- und Umweltschutz Belange, die die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) und die unteren Naturschutzbehörden fachlich vertreten, angemessen berücksichtigt werden. Stattdessen werden Mitgestaltungs- und Mitwirkungsrechte der Naturschutzbehörden und Naturschutzverbände in ihren originären Tätigkeitsfeldern beschnitten und wichtige vorhandene Kompetenzen nicht eingebunden. Zuständigkeiten werden von den unteren Naturschutzbehörden auf die Ebene der Hauptverwaltung verlagert und konzentriert. Diese geplante verdeckte „Verwaltungsreform“, welche die Einflussmöglichkeiten der SenMVKU und der unteren Naturschutzbehörden erheblich einschränkt, ist nicht akzeptabel. Die Gesetzesnovellierung wird ihre Ziele so nicht erreichen, jedoch Naturschutz- und Umweltstandards erheblich reduzieren. Dies entspricht in keiner Weise moderner Stadtentwicklung. Sie ist daher weitgehend abzulehnen.
Zwingend erforderlich ist es, zunächst eine Analyse der wirklichen Ursachen des zähflüssigen Baufortschritts zu erstellen und die aktuellen Potentiale für Wohnungsbau genauer zu identifizieren und zielgerichtet Lösungen zu entwickeln. Die unbegründete Annahme, dass Umwelt- und Naturschutzgesetzgebungen, wie z.B. eine vierwöchige Beteiligungsfrist der Verbände, Bauvorhaben maßgeblich verhindern, ist unprofessionell und verfehlt ihr Ziel.
Vielmehr sollten zur Beschleunigung Natur- und Artenschutz von Anfang an frühzeitig in moderne Stadtplanung und -entwicklung eingebunden werden. Der Sachverständigenbeirat für Naturschutz und Landschaftspflege empfiehlt daher eine enge und frühzeitige Zusammenarbeit von SenStadt mit SenMVKU sowie den unteren Naturschutzbehörden und den Naturschutzverbänden, um fachlich fundiertes Wissen einzubinden und somit Prozesse zu beschleunigen, und gleichzeitig unsere Lebensgrundlagen zu erhalten.
Wohnungsbau ist eine der zentralen Aufgaben für Berlin; Klimaanpassung, Erhalt der Biologischen Vielfalt und sozialverträgliche Freiraumentwicklung ebenfalls. Die zügige Schaffung von bezahlbarem Wohnraum kann nur erfolgreich und zukunftsfest gelingen, wenn dieser nachhaltig geplant wird. Dazu ist es notwendig, Klimaschutz und Klimaanpassung, eine sozial gerechte Freiraumversorgung für eine gesunde Bevölkerung und die Sicherung der biologischen Vielfalt von Anfang an integriert mit dem Wohnungsneubau zusammen zu denken und zu planen.
Was heute erbaut wird, steht Jahrzehnte und wirkt mit all seinen Vor- und Nachteilen für Natur, Lebensqualität und Attraktivität unserer wachsenden Stadt - in einem sich wandelnden Klima. Heute werden die entscheidenden Weichen gestellt. Lassen Sie uns zusammenarbeiten. Diese Zukunftsaufgaben sind eine Gemeinschaftsaufgabe für ein lebenswertes Berlin!
Der Sachverständigenbeirat für Naturschutz und Landschaftspflege hat am 30.04.2024 zum Schneller-Bauen-Gesetz einen Beschluss gefasst, dieser ist hier abrufbar:
https://www.berlin.de/sen/uvk/natur-und-gruen/naturschutz/sachverstaendigenbeirat/beschluesse/