In Halle-Neustadt sollte ab Mitte der 1960er Jahre das Ideal einer sozialistischen Stadt verwirklicht werden. Die Großwohnsiedlung gilt als bedeutendes Zeugnis des (ost-)modernen Städtebaus mit internationaler Relevanz. Nach dem Zusammenbruch der chemischen Industrie nach 1989/90 folgten Massenarbeitslosigkeit, Abwanderung und der Rückbau zahlreicher Gebäude. Heute wird Halle-Neustadt als „Arrival City“ diskutiert und befindet sich erneut inmitten eines tiefgreifenden Transformationsprozesses. Die Lebendigkeit des Stadtteils und das unermüdliche Engagement vieler Menschen vor Ort stehen im Kontrast zum schlechten Image der Neustadt als sozialer Brennpunkt. Halle-Neustadt ist ein faszinierendes Beispiel für sozialen und (städte-)baulichen Wandel und steht symbolisch für die Herausforderungen unserer Zeit.
„wohn_komplex“ ist ein transdisziplinäres Festival, das sich zum Stadtjubiläum diesen Themen widmet. Die Veranstaltungen finden an verschiedenen Orten in Halle-Neustadt statt. Weitere Informationen und das vollständige Programm finden Sie unter: https://wohn-komplex.de/
Höhepunkte aus dem umfangreichen Festivalprogramm sind:
Das Symposium geht der Frage nach, inwieweit Halle-Neustadt exemplarisch für ostdeutsche Transformationsprozesse steht. Es bringt wissenschaftliche Perspektiven mit Erfahrungen aus der Praxis in Dialog. Das Symposium gliedert sich in zwei Vorträge, einen Stadtrundgang und fünf Runde Tische. Teilnehmende sind u.a. Prof. Dr. Philipp Oswalt, Andrea Wieloch und Michael Marten.
Im Rahmen von „wohn_komplex“ findet eine Filmreihe im Prisma Kino Halle-Neustadt statt. Die ausgewählten Filme widmen sich der Alltags- und Arbeitsgeschichte sowie den Lebenswirklichkeiten in der ehemaligen DDR, der Wendezeit und heute. Einige der Filme spielen in Halle-Neustadt und wurden hier gedreht. Bei vier Filmvorführungen finden Filmgespräche statt, zu Gast sind u.a. Uwe Mann, Annette Maechtel und Konstantin Wiesinger.
Stadtspaziergänge als urbane Praxis bieten die besondere Möglichkeit, eine Stadt auf eine authentische Weise zu entdecken. Die Erkundungen zu Fuß oder mit dem Fahrrad ermöglichen es, Halle-Neustadt intensiver zu erleben und mehr über die Geschichte, Architektur und Kultur des Stadtteils zu erfahren. Die Stadtspaziergänge von „wohn_komplex“ machen Halle-Neustadt aus verschiedenen Perspektiven erfahrbar: persönlich, literarisch oder baukulturell. Die Touren dauern zwischen 45 Minuten und 3 Stunden.
Im Wahljahr 2024 tourt Anna Stiede durch Ostdeutschland. Auch bei „wohn_komplex“ erobert sie als Meckerchor den öffentlichen Raum und befragt das ostdeutsche Schimpfen, das schon in der DDR eine subversive Praxis und eine Form der politischen Meinungsäußerung war. Schimpfen ist wie Schnaps. Schimpfen ist Verdauen von Scheiße. Es kann ein Akt der Liebe sein. Im Schimpfen schlummern Wünsche und Träume.
Elske Rosenfeld präsentiert die Videoinstallation „Statements for the Future“. Ein Statement aus Erklärungen, Manifesten und Forderungslisten von politischen Gruppen und Arbeitskollektiven aus dem Herbst und Winter 1989/90 wurde am 9. November 2019, dem 30. Jahrestag des Mauerfalls, in einem ehemaligen Versammlungssaal der Kommunistischen Partei Rumäniens in Bukarest und dann erneut 2022 in Berlin Prenzlauerberg verlesen. Für „wohn-komplex“ wird die Installation um ein Textheft erweitert, in dem die Statements in die in Halle-Neustadt 2024 neben Deutsch am häufigsten gesprochenen Sprachen – Arabisch, Ukrainisch, Farsi, Russisch und Französisch – übersetzt worden sind.
„OASE“ heißt der temporäre Raum des Kollektivs Popticum auf dem zentralen Festivalplatz. Die Architekt*innen und Designer*innen von Popticum laden zudem im Bauworkshop Shape Shifter dazu ein, das Zentrum von Halle-Neustadt zu aktivieren und umzudeuten.
Empfehlung
Vom 12. bis 15. September 2024 befragt wohn_komplex an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft mit Performances, Stadtspaziergängen, Workshops, Filmen und einem Symposium Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Stadtteils.