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Gert Weigelt, Gerhard Bohners Rekonstruktion des Triadischen Balletts von Oskar Schlemmer
ARCH+ features

ARCH+ features 36: Projekt Bauhaus

Kann Gestaltung Gesellschaft verändern?

Zeit: Donnerstag, 26. März 2015, 19 Uhr
Ort: KW Institute for Contemporary Art,
Auguststraße 69, 10117 Berlin

Im Jahr 2019 jährt sich die Gründung des Bauhauses zum hundertsten Mal. Aus diesem Anlass führt die Initiative „Projekt Bauhaus“ in einem auf fünf Jahre angelegten Prozess eine kritische Inventur der Bauhausideen durch und testet diese auf ihr Potenzial für wesentliche Fragestellungen der Gegenwart. Im Rahmen des ARCH+ features wird die Jahresfrage 2015 bekanntgegeben und in 4 parallel stattfindenden Diskussionsrunden behandelt. Die kurzen und prägnanten Panels dienen dazu, die unterschiedlichen Aspekte von Gestaltung vor Augen zu führen und den Diskurs in der Projektgruppe öffentlich zugänglich zu machen sowie zum Weiterdenken und Mitmachen anzuregen.

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Die Themen der vier Gesprächsrunden:
Jeweils thesenhafter Input/Vortrag von ca. 10-15 Minuten,
anschließend 10-15 Minuten Gespräch/Diskussion mit weiteren Projektbeteiligten und Publikum

1. Anja Baumhoff und Holm Friebe
Diskussion mit Ellen Blumenstein
Gestaltung als soziales Experiment
Veranstaltungssaal Chora (3. OG Hinterhaus)

Dem Weimarer Bauhaus ging es um mehr als nur eine gestalterische Erneuerung - man verstand sich auch als soziales Experiment. Beeinflusst von der Lebensreformbewegung oszillierte das frühe Bauhaus zwischen sozialer Romantik und utopischem Überschuss. Gestaltung begriff man als soziales Phänomen, dem man zutraute, die Gesellschaft nachhaltig zu verändern. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Bauhaus jedoch in einer Weise repräsentiert, dass es nun zum Aushängeschild der guten, wenn auch unterlegenen, ersten deutschen Demokratie machte. Heutzutage dominiert jener Aspekt der Moderne, der mit Massenkonsum und Produktvielfalt die Medien bespielt, und dabei seinen reformerischen Impetus verleugnen muss. Deshalb lohnt es sich einmal genauer hinzusehen, wo das alles begann und sich zu fragen, ob es Elemente im utopischen Überschuss des Bauhauses gibt, die heute noch relevant sind.

2. Walter Scheiffele
„Mythos Bauhaus“ und der Zweifel daran
Veranstaltungssaal Chora (3. OG Hinterhaus)

Der "Mythos Bauhaus" ist das Ergebnis einer folgenreichen Inszenierung Walter Gropius', der das Bauhaus zu einem singulären Ereignis stilisierte und in der Folge eine Deutungshoheit über die ganze Moderne in Deutschland gewann. Mit der Etablierung dieses „Alleinstellungsmerkmals“ gerieten auch die durchaus erfolgreichen Bezüge der Bauhäusler zur Politik und Ökonomie ihrer Zeit aus dem Blickfeld. Die Retuschen an den für die moderne Kultur notwendigen Verbindungen zu sozialen Bewegungen und technischen Entwicklungen sind auch an den Dokumenten der Zeit haften geblieben, und sie wirken bis heute nach.
Es lohnt, an den Weimarer und Dessauer Beispielen genauer zu diskutieren, wie Gropius den Zeitgenossen das gab, was er ihnen zugleich vorenthielt, und wie sich damit abseits sozialer Bewegungen das Bauhaus als eine wirkungsmächtige Instanz etablieren konnte. Gropius denkt, darin noch der deutschen Aufklärung folgend (Schillers „Ideal einer veredelten Menschheit“), einen Sonderweg der deutschen Moderne, der auf nicht erklärte Weise in ein gesellschaftlich Ganzes führen soll. Wie nahe Erfolg und Scheitern dieses Weges beieinander liegen, hat Heinz Hirdina auf den Punkt gebracht: „Ist das Design am Ende oder ist am Ende alles Design?“

3. Jan Wenzel
Kairos und Gestaltung
ARCH+ Studio (3. OG Seitentrakt, angrenzend an Chora)


Mit der Gründung des Bauhauses gelang Walter Gropius 1919 ein Coup: er nutzte die Chance des Augenblicks – die politische unübersichtliche Situation im jungen Land Thüringen –, um seine Schule nach der Idee der mittelalterlichen Bauhütte aufzubauen. Benötigen produzierende Gemeinschaften Taktiken des Glücks, wenn ihre Arbeit in der Abhängigkeit vom Staat geschieht? - Für das Bauhaus lässt sich diese Frage bejahen. 1925 konnte die junge Schule vorführen, dass sie gelernt hatte, im Augenblick zu arbeiten: der Schließung der Schule in Weimar folgte der Sprung nach Dessau – eine Improvisation, die das, was wir heute als Bauhaus kennen erst ermöglichte.
Wie also ist die organisatorische Matrix des Bauhauses – und wie verhält sich diese in verschiedenen historischen Situationen zum Staat? Ein Staat, der ein Unternehmen wie das Bauhaus im besten Fall in seiner Autonomie geduldet und immer wieder gestört und zerstört hat – was auch auf den Bauhaus-Nachfolger Hfg Ulm zutrifft. Angesichts dieses historisch prekären Verhältnisses und der Tatsache, dass das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum zu einer Unternehmung staatlicher Repräsentation erhoben wird, stellt sich die Frage, ob damit nicht vor allem eine Selbstkritik des Staates verbunden sein muss.

4. Karin Wilhelm: Studiolo (Vorderhaus)
Internationalität und sozialer Anspruch
Diskussion mit Elke aus dem Moore und Philipp Oswalt

Wovon sich das Bauhaus angesichts der modernen Produktivkraftentwicklung inspirieren ließ, war die Idee der Internationalität. Gropius' "Internationale Architektur" – eine Idee, die sich explizit gegen das National-Völkische seiner Zeit richtete – changierte zwischen sozialem Freiheitshoffen und egalitär-autoritär sich formierender Technokratie. Positionen der Tradition, der Individualität, der differenzierenden Form, die sich im Feld der Lebensstilprägungen entwickeln sollten, waren und wurden den Bauhaus Intentionen genommen, sie wurden gleichsam enteignet, weil die Einsicht in die Formierungen der Massen und der Massenkultur nicht begriffen wurden und vermutlich auch so noch nicht begriffen werden konnten.
Was bedeutet diese Entwicklung für das heutige Selbstverständnis der Disziplin, die sich theoretisch gerne gesellschaftskritisch geriert, praktisch jedoch meistens den Marktfaktoren willig hinterherarbeitet? Man webt fleißig mit am Schleier einer Architektur, die sich im währenden "Befreiungskampf" zum "Guten" der Menschen und der Gesellschaften positioniert (Ökologiemodelle etc.) und die allüberall doch Zwängen unterliegt, die sie als Architektur nicht lösen kann. Einsicht in die Beschränktheit wäre sicher vonnöten. Als analytischen Ansatzpunkt für diese Gemengelange dient Karin Wilhelm der Film "La Haine" von Mathieu Kassovitz von 1995, in dem die Beschränktheit dieser ursprünglich emanzipatorisch gedachten Idee inszeniert wird.

 

In Kooperation mit dem ARCH+ Verein zur Förderung des Architektur- und Stadtdiskurses: www.archplusverein.de

und Projekt Bauhaus: www.projekt-bauhaus.de