1.
Diese Ausstellung ist schon lange überfällig und findet nun zum richtigen Zeitpunkt statt: Die Erfindung der wissenschaftlichen Gestalt des Automobils liegt mit der ersten diesbezüglichen Patentanmeldung Paul Jarays von 1921 genau hundert Jahre zurück.
2.
Im Verlauf dieses Jahrhunderts hat sich die gesellschaftliche Stellung zur massenhaften Individualmobilisierung zum Entgegengesetzten verkehrt: Sie begann als Vorstoß progressiver Intellektueller, dem Proletariat, das den Großteil der Bevölkerung stellte, mit der motorisierten Freizügigkeit auch einen Anteil an persönlicher Freiheit zu verschaffen. Die nationalsozialistische Herrschaft eignete sich im Willen, ihrer Modernität Ausdruck zu geben, diese Idee an. Heute erkennt man im Typ des privaten Fahrzeugs nur mehr den Schaden, den es am Ganzen der Weltgemeinschaft anrichtet. Besonders in seinen repräsentativen Formen wird es heute als reaktionäre Rücksichtslosigkeit gegenüber der Umwelt betrachtet.
3.
Es ist erklärungsbedürftig, warum Paul Jaray als Urheber so vieler Innovationen der technischen Grundlagenforschung 1974 mittellos und anonym starb. Der Grund dafür lag in der Auslöschung seiner Autorschaft im Zuge der Judenverfolgung des deutschen Faschismus.
4.
Umgekehrt bedarf es einer Erklärung, warum es ausgerechnet die Avantgarde im Feld der Kunst war – etwa in der documenta 6 im Jahre 1977 –, die sich dem auf seinem eigenen Gebiet vergessenen Paul Jarays als exemplarischen und zentralen Vertreter einer technischen Utopie wieder entsann.
5.
Diese Erklärungen leistet dieses Projekt. Dem theoretischen Anspruch steht die Schönheit der Formentwürfe Paul Jarays gegenüber, die in Modellen, Abbildungen und einem dramatischen lebensgroßen Rekordwagen vorgestellt werden. Noch nie zuvor war er in der Version zu sehen, die im Februar 1935 auf der Autobahn Firenze-Mare einen erfolgreichen Geschwindigkeitsrekord aufstellte: Erstmals berührte dabei ein Fahrzeug die 300 km/h Marke auf einer öffentlichen Straße.
6.
Paul Jaray war nicht nur der erste, der die mathematische Optimierung der Strömungsmechanik des Fahrzeugkörpers seiner Energieeffizienz und Nachhaltigkeit wegen als spindelförmiger Idealkörper mit dem geringsten Widerstand propagierte, sondern stellte bereits Ende der 20er-Jahre Überlegungen zu alternativen Energiekonzepten an, die er im Angesicht des in seinen Augen zu erwartenden Zur-Neige-Gehens fossiler Brennstoffe für unabdingbar hielt.