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Die Inszenierung des Urbanen

Filmprogramm im Rahmen der Ausstellung
1989–2019: Politik des Raums im Neuen Berlin
Dienstag, 8. Oktober 2019, 20 Uhr,
Neuer Berliner Kunstverein n.b.k.
Chausseestraße 128/129, 10115 Berlin

Screening mit Arbeiten aus der Sammlung des n.b.k. Video-Forums, ausgewählt von Kristina Paustian (n.b.k. Video-Forum), mit einem Kommentar von Sophia Gräfe (Medien- und Kulturwissenschaftlerin, Leibniz-Zentrum für Literatur-und Kulturforschung, Berlin)

Denis Beaubois, in the event of Amnesia the city will recall… (1997)
Beaubois persifliert das vermeintliche Sicherheitsbestreben der Kontrollgesellschaft, in dem er deren Technik auf humorvolle Weise gegen sich selbst richtet. Das Video in the event of Amnesia the city will recall… zeigt den Künstler, wie er sich an drei aufeinander folgenden Tagen an dem gleichen öffentlichen Ort in Sydney in das Sichtfeld einer Überwachungskamera stellt, um so ihren Blick zu erwidern. Ausgestattet mit beschrifteten Papptafeln tritt er mit dem Überwachungsapparat in einen Dialog.

Arno Brandhuber / Christopher Roth, Are You Happy? (2012)
Grundlage der Videoarbeit ist ein von dem Architekten Arno Brandlhuber angelegtes Archiv von rund 40 werblichen Filmen, mit denen Großinvestoren und Projektentwickler ihre luxuriösen Bauvorhaben vorstellen. In entlarvender Weise selektieren Brandlhuber / Roth Ausschnitte aus den im Internet abrufbaren Filmen und kompilieren das Found Footage-Material mit Realfilmaufnahmen in eine Bildcollage, die von dem Stück Beton Brut der Band Ornament & Verbrechen (Ronald und Robert Lippok) unterlegt ist. Im Zentrum stehen dabei drei Projekte in Berlin, die „Kronprinzengärten“ der Bauwert Investmentgroup in der historischen Mitte Berlins, die „CarLoft® GmbH“ in den Kreuzberger Paul-Lincke-Höfen und das Architektur- und Design-Projekt „yoo“ des internationalen Immobilienentwicklers John Hitchcox und des Designers Philippe Starck. Starck und seine positivistische Darstellung von „yoo“ werden zum tragenden Element der Arbeit. Wenngleich die konventionalisierte Darstellung der Luxusbauvorhaben durch Arno Brandlhuber / Christopher Roth nicht explizit kritisch kommentiert wird, sorgen die Musik von Ornament & Verbrechen sowie Einschübe von Realfilmaufnahmen, etwa einer rechtsradikalen Kundgebung unter Polizeipräsenz oder eines Mannes, der durch seine Nase Flöte spielt, für eine Verfremdung des Materials und seine Verschiebung ins Absurde. Brandlhuber tritt schließlich am Ende des Films winkend selbst ins Bild und ironisiert damit seine eigene Rolle als Architekt und Stadtplaner. Er steht für eine kritische Auseinandersetzung der aktuellen Umgestaltung Berlins, insbesondere im Hinblick auf sozialpolitische Fragen und Prozesse der Verdrängung ganzer Bevölkerungsschichten.

KP Brehmer, Walkings Nr. 1–6 (1969–1970)
Der vom Strukturalismus beeinflusste Experimentalfilm Walkings No. 1–6 untersucht in sechs Sequenzen signifikante Objekte und Strukturen innerhalb der Stadtlandschaft Berlins und die Veränderungen, die sich durch deren mediale Repräsentation ergeben.

Niklas Goldbach, Habitat C3B (2008)
Habitat C3B entstand in dem 1970 erbauten Gebäudekomplex in Beaugrenelle im 15. Arrondissement in Paris. Die als Loop angelegte Videoarbeit zeigt einen Protagonisten und seinen Lauf durch den verschachtelten Bau. Immer wieder tauchen Repliken des Mannes auf, wie es in vielen Arbeiten Goldbachs typisch ist, und beginnen ihn zu verfolgen.

Allan Kaprow, Sweet Wall (1970)
Die Aktion Sweet Wall fand am 9. November 1970 in Berlin statt. Parallel zur Berliner Grenzmauer errichtete Kaprow aus 500 Hohlblocksteinen, Toastbrot und Fruchtmarmelade eine zweite Mauer, die bald darauf von ihm zerstört wurde.

Holly Zausner, The Beginning (2003)
The Beginning… dokumentiert Zausners Performances vor der Kulisse historisch bedeutender Orte in Berlin. Von der Künstlerin entworfene starkfarbige Silikonfiguren – weibliche und männliche Akte, deren Arme und Beine in überdimensionierten Ringschlaufen zusammenfließen – dienen ihr dabei als Objekte, die sie bewegt, trägt oder wirft. Das Video hält die körperlich-performative Auseinandersetzung und physische Herausforderung fest und lässt so die plastische Dimension der Figuren sichtbar werden.