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Die Ernennung von Petra Kahlfeldt zur Senatsbaudirektorin

– eine Kampfansage an eine soziale und ökologische Stadtpolitik

Die Neubesetzung der Position des Senatsbaudirektors / der Senatsbaudirektorin hat schon im Vorfeld zu vielfältigen Debatten geführt. Die Architektenkammer Berlin und der BDA Berlin haben die Einsetzung einer Findungs- und Auswahlkommission für dieses Amt vorgeschlagen. Ein Offener Brief „Für eine offene und transparente Auswahl des neuen Senatsbaudirektors / der neuen Senatsbaudirektorin“ wurde von über 450 namhaften Architekten, Initiativen und Verbänden unterzeichnet.

Nun erfahren wir, dass dieses wichtige Amt ohne ein Auswahlverfahren und ohne eine öffentliche Diskussion an Petra Kahlfeldt vergeben wurde. Dieses Vorgehen ist ein Affront gegenüber den UnterzeichnerInnen dieses Offenen Briefes.

Das Bauwesen befindet sich (wie die meisten anderen Bereiche der Gesellschaft) an einem Wendepunkt. Bis 2030 soll im Bausektor erfolgreich 60% des CO2-Ausstoßes eingespart werden, bis 2050 soll der Bausektor klimaneutral werden. Die Verkehrswende und die Energiewende verlangen drastische Veränderungen im Gefüge der Stadt Berlin, für die es keine unmittelbaren Vorbilder gibt. Unter diesem Vorzeichen die Wohnungskrise zu bewältigen, ruft nach neuen Ansätzen für einen bezahlbaren und gemeinwohlorientierten Wohnungsbau. Die Senatsbaudirektor*in spielt in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle, muss er/sie doch zukunftsweisende Impulse setzen und wesentlich für die Steuerung der Qualität der baulichen Umsetzung dieser Herausforderungen verantwortlich sein.

Mit Petra Kahlfeldt wurde eine Architektin ausgewählt, deren bisheriges Tätigkeitsprofil im krassen Gegensatz zu den aktuellen Herausforderungen Berlins steht. Petra Kahlfeldt ist bisher als Mitinhaberin des Büros Kahlfeldt vor allem mit der Realisierung von Villen und Luxuswohnanlagen im gehobenen Preissegment verantwortlich gewesen.

Petra Kahlfeldt steht nicht für
- eine am Gemeinwohl orientierte soziale Stadt
- nachhaltige, klimagerechte Stadtentwicklung
- die Gestaltung der Mobilitätswende
- ökologisches Bauen
- bezahlbaren und gemeinwohlorientierten Wohnungsbau
- partizipative Planungsprozesse
- eine Offenheit für die Diversität einer Metropole
- internationale Vernetzung

Petra Kahlfeldt steht für die Wiederkehr der Baupolitik der 1990er Jahre. Mit ihr droht der Rückfall in die ideologischen Grabenkämpfe einer Ära, in der zentrale Zukunftsthemen lange vernachlässigt wurden. Mit ihr ist zu befürchten, dass anstelle integrativer Bemühungen für eine „Stadt für Alle“ eine erneute Polarisierung und vordergründige Ästhetisierung baukultureller Fragen tritt.

Als Vertraute des ehemaligen Senatsbaudirektor Stimmann steht sie konservativen Kreisen nahe, die sich für die Rekonstruktion der Stadt nach historischem Muster eingesetzt haben. Sie trat mehrfach für eine Privatisierung öffentlicher Flächen ein. Sie ist Mitverfasserin einer „Charta für die Berliner Mitte“ von 2014, in der eine weitreichende Privatisierung öffentlicher Grundstücke in der Berliner Mitte gefordert werden. Diese Position hat sie auch in späteren Wortmeldungen immer wieder bekräftigt. Es ist daher zu erwarten, dass die Personalie Petra Kahlfeldt zu erheblichen Konflikten in der Berliner Stadtgesellschaft und zu baupolitischen Blockaden führen wird. Der Stadtentwicklung Berlins wird damit einen Bärendienst erwiesen.
Wir fordern, die jetzt erfolgte Ad-hoc-Ernennung der Senatsbaudirektorin zurückzunehmen. Stattdessen brauchen wir ein offenes und transparentes Findungs- und Auswahlverfahren, das diesem wichtigen Amt angemessen und einer Hauptstadt würdig ist.

Prof. Dr. Vanessa Miriam Carlow, Architektin und Stadtplanerin, Berlin
Dr. Matthias Grünzig, Initiative Offene Mitte Berlin, Berlin
Prof. Dr.-Ing. h.c. HG Merz, Berlin / Stuttgart
Andrea Müller, Veit Burgbacher, ArchitectsForFuture Berlin
Anh-Linh Ngo, Chefredakteur und Mitherausgeber ARCH+, Berlin
Prof. Philipp Oswalt, Architekt und Publizist, Berlin/Kassel
Matthias Sauerbruch, Architekt, Berlin
Alexander Walter, Netzwerk „AfA – Aktiv für Architektur“

Der Offene Brief zur Neubesetzung der Position des neuen Senatsbaudirektors / der neuen Senatsbaudirektorin vom 13.12.2021 wurde von über 450 namhaften Architekten, Initiativen und Verbänden unterzeichnet. Siehe hier