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Berliner Förderverein für Antisemitismus und Holocaustleugnung

Gastbeitrag von Philipp Oswalt

Das Relief zur Würdigung des verstorbenen Großspenders Ehrhardt Bödecker im Humboldtforum entfernte der Eigentümer Ende letzten Jahres auf Bitten der Familie, nachdem dessen antisemitischen und rechtsradikalen Äußerungen bekannt geworden waren. Der Förderverein Berliner Schloss, der die Spende eingeworben hatte, schwieg zunächst.
Nun, ein gutes halbes Jahr später äußerte er sich dazu ausführlich in seinem vereinseigenen Berliner Extrablatt Nr. 97. Nicht, um sich nun auch von diesen Aussagen zu distanzieren. Ganz im Gegenteil. Der Geschäftsführer Wilhelm von Boddien bekennt sich „ohne jede Einschränkung zu unseren Spendern“. Von der neurechten Zeitung Junge Freiheit wird es daher für seine große Standhaftigkeit gerühmt. Die problematischen Äußerungen Bödeckers werden relativiert, bagatellisiert und teilweise in Abrede gestellt. Vereinsvorsitzender Richard Schröder, ostdeutscher Theologe und einst Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion, behauptet, Rechtsextremismus sei „viel zu schwammig für ein Ausschlusskriterium“.  Er nimmt die AfD und die Zeitschrift Junge Freiheit vor Kritik in Schutz und findet es völlig normal, wenn man für eine Zeitschrift schreibt, in der auch Holocaustleugner publizieren. Die Leugnung des Holocausts sieht er als eine Meinungsäußerung an, deren Verbot er als Einschränkung der Meinungsfreiheit problematisiert. Aber der Holocaust ist ein wissenschaftlich belegter Fakt. Das Bundesverfassungsgericht hat schon vor Jahren festgestellt, dass die Verbreitung dieser falschen Tatsachenbehauptungen nichts zur Meinungsbildung beiträgt und nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Den Holocaust als eine Frage von Meinung darzustellen, ist eigentlich schon der Beginn einer Holocaustleugnung. Zumindest öffnet er einer solchen Tor und Tür. Was den Antisemitismus Bödeckers betrifft, stellt Richard Schröder diesen in Abrede. Mir, der mit Bezug auf Bödeckers Preußenschriften diesen Sachverhalt öffentlich gemacht hat, wirft er vor, diesen erfunden zu haben. Ich hätte beim Zitieren gemogelt, hätte Bödeckers Äußerungen durch eigenmächtige Zusätze überhaupt erst einen antisemitischen Drall verpasst. Inzwischen hat das Berliner Landgericht Berlin Richard Schröder untersagt, diese Behauptung weiter zu verbreiten. Das Gericht stellte fest, dass ich nichts eigenmächtig ergänzt habe, die von mir getroffene Aussage „ergibt sich aus dem Buch Bödeckers“.  

Doch noch bevor das Gericht entschieden hatte, griffen Rechtspopulisten und Rechtsextreme Richard Schröders Behauptung begeistert auf und verbreiteten diese weiter. So sah die Junge Freiheit in der Kritik an den antisemitischen Spender einen „totalitären Kampf“ und eine „Kulturrevolution“. In ihrem Online-TV-Kanal machte die Junge Freiheit den „Kampf ums Berliner Schloss“ zum „Thema der Woche“. Auch die AfD- und Pegida-Unterstützerin Vera Lengsfeld machte sich Richard Schröders Darstellung zu eigen und veröffentliche dies unter dem Titel „Gesinnungsschnüffelei statt Rechtsstaatlichkeit“ auf verschiedenen rechtslastigen Online-Portalen.   

Mit der im letzten Jahr aufgekommenen Kritik an rechtsradikalen Spendern hat der Förderverein sein jovial-staatsmännisches Auftreten abgelegt. Ganz gezielt und bewusst äußert der Verein sich nun „politischer“ als zuvor. Der Förderverein ruft einen „Kulturkampf“ aus, spricht von „überhitztem Säkularismus“, Verlust „abendländischer Identität“, einem „Akt der Tyrannei“ und „kollektiver Amnesie“, gar „Gehirnwäsche“   und kritisiert die „deutschen Leitmedien“.  Zugleich liegt für ihn die Relevanz des Neubaus des Schlosses darin, sich diesen Fehlentwicklungen entgegenzustemmen. Die Moderne, in ihrem Jargon die „Radikalmoderne“, wird einem pauschalen Bashing unterzogen und als quasi entartet dargestellt.  Als „bedrückendes Beispiel“ wird Daniel Libeskinds Umgang mit dem Altbaubestand des Jüdischen Museums in Berlin kritisiert.

Die Stiftung Humboldtforum erwartet, dass der Förderverein sich „von extremistischen und demokratiefeindlichen Positionen distanziert“, doch bislang vergeblich. Zu den problematischen Äußerungen des Vereins haben die Kulturstaatsministerin und der Bundesbeauftragte für Antisemitismus Felix Klein bislang keine direkte Stellung bezogen. Einer Anfrage an den Beauftragten Klein wich dieser aus und ließ sie unbeantwortet. Während es bei der documenta 15 zu Recht eine Nulltoleranzpolitik gegenüber dem unverantwortlichen Umgang mit antisemitischen Darstellungen gab, sagt man bislang nichts zu dem Verhalten des Fördervereins Berliner Schloss, mit dem man seit zwei Jahrzehnten kooperiert. Gelten hier Double Standards?

Weitere Infos zum Thema auf schlossdebatte.de

1 Berliner Extrablatt Nr. 97, Mai 2022,  S. 1, berliner-schloss.de/aktuelle-infos/berliner-extrablatt (Stand: 11.8.2022)

2 JF-TV: „Kampf ums Berliner Schloss“, 17.6.2022, www.youtube.com/watch?v=hqeo19Ab9CQ (Stand: 11.8.2022)

3 Berliner Extrablatt 2022 (wie Anm. 1), S. 5

4 Ebd., S. 6

5 Ebd.

6 Ebd.

7 Landgericht, Beschluss Einstweilige Verfügung vom 6. Juli 2022, AZ O 214/22

8 Vera Lengsfeld: „Gesinnungsschnüffelei und Rechtsstaatlichkeit“, vera-lengsfeld.de/2022/06/22/gesinnungsschnueffelei-statt-rechtsstaatlichkeit (Stand: 11.8.2022)

9 Berliner Extrablatt 2022 (wie Anm. 1), S. 35 f.

10 Ebd., S. 49

11 Ebd., insbesondere S. 23–26, Bildpaar S. 26

12 Ebd., S. 26