„Technology is the answer, but what was the question?“1 – diese Provokation des britischen Architekten Cedric Price von 1979 könnte im Licht aktueller Großprojekte und kapitalistischer Spekulationen sogenannter Smart Cities und Plattform-Urbanismus kaum aktueller sein. Wie immer wieder kritisiert wurde, streben die Allianzen aus Big-Tech-Unternehmen und nationalstaatlichen Organisationen in Smart-City-Projekten mittels Ausbaus von Sensornetzwerken und digitaler Infrastruktur die Privatisierung, Kapitalisierung und Kontrolle urbaner Räume an. Gleichzeitig werden diese Technologien von Forscher*innen und Aktivist*innen vermehrt als Möglichkeit der urbanen Imagination und Intervention von unten verstanden. Diese sollen zur Aushandlung des Rechts auf Stadt beitragen, bzw. zum „Recht auf Information“ wie Tooran Alizadeh und Deepti Prasad jüngst bemerkten.2 Digitale Infrastruktur und urbane Architektur sind materiell und diskursiv untrennbar miteinander verwoben. Damit treten verschiedene Kontrollfantasien, Imaginationen und Heilsversprechen ins Zentrum der Produktion und Aushandlung gegenwärtiger Raumverhältnisse. Diese sind jedoch keineswegs nur Phänomene unserer Gegenwart – Vernetzung, Kontrolle und Ökologisierung von (urbanen) Räumen wurden bereits lange vor dem Aufkommen von Smart Cities und der Entstehung des Plattform-Urbanismus imaginiert und verhandelt.
Das Medien-Werden der Architektur
Genau an dieser Stelle setzt der von Moritz Gleich und Christa Kamleithner herausgegebene Bauwelt-Fundamente-Band Medium unter Medien – Architektur und die Produktion moderner Raumverhältnisse an und zeigt, wie Informationssysteme und (technische) Medien Architektur durchdringen und dabei Architektur selbst zum Medium wird; zu einem, das die Produktion von Raumverhältnissen co-konstituiert sowie „Klima, Subjektivität und soziales Verhalten verändert“3 hat. Um sich diesen Veränderungen zuzuwenden bringen die Herausgeber*innen Ansätze der deutschsprachigen Medienkulturwissenschaft und der angloamerikanischen Architekturgeschichte zusammen. Die Anthologie versammelt sowohl bereits zuvor publizierte als auch eigens für den Band verfasste Beiträge von Zeynep Çelik Alexander, Christoph Asendorf, Beatriz Colomina, Mark Crinson, Moritz Gleich, Tom Holert, Christa Kamleithner, Reinhold Martin, Roland Meyer, Bernhard Siegert und Meredith TenHoor.
Historisch setzen die Beiträge nicht erst bei der Geschichte der digitalen Vernetzung von Städten oder der Kapitalisierung von Smart Cities an, sondern liefern vielmehr verschiedene Vorgeschichten der Vernetzung von (urbanen) Räumen und räumlichen Informationssystemen – von Regalen, über Straßenschilder, bis Röntgenkammern. Wie die Herausgeber*innen schon zu Beginn bemerken, wollen sie dadurch verschiedene Zugänge zur „Vernetzung und Transformation alter und neuer räumlicher Elemente“4 eröffnen. So zeigt die Sammlung sehr eindrücklich, dass Architektur nicht erst durch Smart-City-Spekulationen und digitale Infrastruktur als ein eigenes Medium begriffen wurde.
Wie bereits der Untertitel vermuten lässt, liegt dem Band ein spezifischer Moderne-Begriff zugrunde. Diesen leiten die Herausgeber*innen nicht etwa aus der Verbreitung von modernen Massenmedien oder Gestaltungsprinzipien moderner Architektur ab, sondern gehen von einer sogenannten infrastrukturellen Moderne aus. Den Beginn dieser Moderne setzen sie durch das Aufkommen von „Infrastrukturen, mit denen sich an entfernten Orten Wirkungen erzielen und Umgebungsbedingungen kontrollieren lassen“5 fest. Die infrastrukturelle Moderne beinhaltet sowohl das Aufkommen von Techniken des Wohnkomforts um 1800, als auch Konzepte zur Umweltkontrolle durch Technologien des Air-Conditioning um 1970.
Mobilität, Kontrolle und Komfort
Mit seinen medienhistorischen Einblicken verfolgt der Band medienökologische Überlegungen zur Architektur, die vor allem durch Reyner Banham angestoßen wurden.6 Diesem Verständnis nach greifen architektonische Medien in Umgebungsrelationen ein und verändern diese zugunsten von Mobilität, Kontrolle und Komfort. Anknüpfend an John Durham Peters Philosophie elementarer Medien, Kulturtechnikforschung und Infrastrukturforschung werden Medien hier nicht nur als Kommunikationsmittel, sondern als elementare Existenzgrundlagen verstanden.7 Dadurch geraten nicht nur architektonische Schwellenelemente wie beispielsweise Drehtüren, sondern selbst Luft und Rauch in den Fokus der Auseinandersetzung mit vernetzten Räumen.
Bernhard Siegerts Beitrag etwa regt eine Diskussion des durch ihn mitgeprägten medientheoretischen Ansatzes der Kulturtechniken am Gegenstand von Türen an. Türen sind, wie Siegert bereits zu Beginn seines Beitrags argumentiert, Teil räumlicher Kulturtechniken, da sie Systeme zur Unterscheidung von Innen und Außen etablieren, deren Bedienung als kulturell erlernte Technik erfolgt. Anhand von Filmbeispielen wie D.W. Griffiths Lonedale Operator (1911) oder David Cronenbergs Videodrome (1983) diskutiert Siegert theoretische Überlegungen zu räumlichen Kulturtechniken.
Eine detaillierte Studie räumlicher Kulturtechniken legt auch Zeynep Çelik Alexander mit ihrem Beitrag vor. Anhand der Library of Congress in Washington D.C. zeigt Alexander, dass Raumkonzepte architektonischen Kulturtechniken nicht vorausgehen, sondern durch deren Ordnungsprinzipien erst konstituiert werden. Der Beitrag macht auf bemerkenswerte Weise deutlich, wie bedeutend der Dialog zwischen Medientheorie und Architekturgeschichte für die Analyse der räumlichen Wissensproduktion ist.
Eine ebenso detaillierte Aushandlung räumlicher Medienbegriffe findet im Beitrag von Reinhold Martin statt. Martin folgt der Luft als elementarem Medium und deren Temperierung, um Architektur als Medienkomplex, das heißt, als Beziehung zwischen Eingängen und Ausgängen in den Blick zu nehmen. Dazu untersucht Martin die Geschichte des Hauptsitzes der Chase Manhattan Bank in New York und dessen Verstrickungen mit fossilem Kapitalismus und Managementstrukturen der 1950er-Jahre.