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ARCH+ 204 – ONLINE ZEITUNG: Architecture in Uniform

Designing and Building for the Second World War, kuratiert von Jean-Louis Cohen, Canadian Center for Architecture (CCA), 13. April – 18. September 2011. Die Ausstellung wird 2012 in Rotterdam im NAI und in Rom im MAXXI zu sehen sein.

Von Anna-Maria Meister

Die vollständige Ausgabe ARCH+ 204: Krise der Repräsentation finden Sie in unserem Archiv.

 

Das Canadian Center for Architecture (CCA) zeigte vom 13. April – 18. September diesen Jahres eine Ausstellung über die Rolle der Architektur im Zweiten Weltkrieg. Das Projekt des Kurators Jean-Louis Cohen hat eine jahrzehntelange Entstehungsgeschichte, mit teils autobiographischen, teils akademischen Verknüpfungen. Diese vielfältigen Einflüsse und Aspekte werden in der Ausstellung manifest. Den Auftakt bilden zwei wandfüllende Fotografien: Das zerbombte Guernica 1937 zur Linken,und Hiroshima nach der Atombombe in 1945 zur Rechten markieren die Eckdaten. Gleichzeitig deuten sie die behandelten Themen an: Zerstörung, Aufbau, Konstruktion, Entwurf und die Vielfalt des Engagements von Architekten auf internationaler Bühne. An einer Seitenwand findet sich eine gerahmte Kleinbildserie des zerstörten Köln von August Sander. Dieser Blick aus verschiedenen Perspektiven wird sich als roter Faden erweisen. Architektur als Disziplin und ihre Rolle im Zweiten Weltkrieg wird also ausgestellt, so verspricht es der Titel. Die komplexen und zahlreichen Verwicklungen einer Disziplin, die sich manchmal für politisch nicht verantwortlich hält, wird auf verschiedenen Größenebenen beleuchtet: Vom Tarnen ganzer Städte wie Hamburg zu gläsernen Kochtöpfe von Pyrex. Architektur verstanden nicht nur als Bauen, sondern als Planen, Konstruieren, Produzieren und Konzeptionieren. So vielfältig wie ihre Ausdrucksformen, so verschieden sind auch die Protagonisten des Projekts. Figuren wie Albert Speer und Ernst Neufert werden in der Bildergalerie am Anfang der Ausstellung dem polnischen Widerstandskämpfer Szymon Syrkus gegenübergestellt – die Porträts finden sich in einem runden Raum nebeneinander, alphabetisch geordnet, mit der Architektur als kleinstem, einzig gemeinsamen Nenner.

Das Ausstellungsdesign des New Yorker Büros WORKac (Grafikdesign von Project Projects, New York) gliedert die Exponate in den Räumen des CCA trotz ihrer Dichte übersichtlich und lesbar, ohne Inhalte zu verflachen. Print, Fotografie, Modelle und Bücher fügen sich in verschiedenen Geometrien zu einem größeren Ganzen, das man in der vorgegebenen Reihenfolge lesen kann, aber nicht muss, so dass ein anderer Weg durch die Ausstellung stets auch eine neue Perspektive bietet. Nur an manchen Stellen hätte man sich etwas mehr Text und Kontext gewünscht, den Exponaten wird teils zu viel Selbsterklärung abverlangt. Cohen inszeniert die Ausstellung als geschichtetes Kontinuum, er präsentiert Architektur als Produktion und Forschung, die in den Jahren des Zweiten Weltkrieges nicht plötzlich unter einer Ausnahmesituation operieren musste, sondern die in unterschiedlichen Handlungssträngen kooperierte, gestaltete oder sich wehrte. In dieser Ausstellung wird Totalitarismus unter der Rubrik „Total Mobilization – From the Factory to the Kitchen“ als Einfluss des politischen Systems auf alle Aspekte des Lebens verstanden – auch und besonders der Architektur. Das Thema scheint fast zu umfangreich, doch die Schichtung der Themen funktioniert großteils gut, die präzise historische Aufarbeitung erhellt Zusammenhänge und als Dokumentation vernachlässigter Aspekte der Disziplin war diese Ausstellung längst überfällig.

Ausstellungskatalog: Jean-Louis Cohen: Architecture in Uniform. Designing and Building for the Second World War, hrsg. v. CCA und Éditions Hazan, 2011, 448 Seiten, Englisch, € 38,90, ISBN: 9782754105309