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Quickborner Team, Witt und Jäger, 1966
ARCH+ news

Symposium Bürolandschaft

Eine vergessene Reformstrategie der deutschen Nachkriegsmoderne

Datum: Freitag, 20. Juli 2007, 14 – 20 Uhr
Ort: ARCH+ Projektraum „The Making of Your Magazines“ im KulturBahnhof, Südflügel, Bahnhofsplatz, Kassel
Die Teilnahme ist kostenlos. Um Anmeldung wird gebeten: 0561-2861814 oder documenta12@archplus.net

 

Gäste:
Reinier de Graaf, Architekt, OMA/AMO, Rotterdam
Christopher Dell, Improvisationstheoretiker, Berlin
Francis Duffy, Architekt, London
Ottomar Gottschalk, ehem. Quickborner Team, Berlin
Dieter Jäger, Quickborner Team, Hamburg
Anna Rose, Space Syntax, London & Simon Henley, Architekt, London
Kerstin Sailer & Andrew Budgen, SpaceLab, London
Karin Wilhelm, Kunsthistorikerin, Braunschweig


Das Quickborner Team (QT) gehört – neben der HfG Ulm mit der Zeitschrift ulm, Oswald Mathias Ungers’ Lehrstuhl für Entwerfen mit seinen Veröffentlichungen zur Architektur (VzA) und Frei Ottos Institut für leichte Flächentragwerke mit seinen Mitteilungen IL – zu den wenigen international ausstrahlenden Beiträgen der deutschen Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Unterschied zu den genannten Institutionen handelt es sich beim QT weder um eine Hochschule noch um ein Institut, sondern um ein privates Unternehmen für Büroraumgestaltung. Umso höher ist sein Beitrag zu bewerten. 1956 wurde das QT von Eberhard und Wolfgang Schnelle in Hamburg gegründet, 1961 zog es nach Quickborn, einem Vorort von Hamburg, nach dem sich das Büro schließlich benannte.

Quickborner Team: Beziehungsschema einer Hauptverwaltung mit 800 Personen.

Bekannt geworden ist das QT durch das Konzept der Bürolandschaft. Als Alternative zum amerikanischen Export des Großraumbüros entwickelt, wollte sie die Büroarbeit nach neuen Kriterien organisieren und einen Beitrag zur Humanisierung der Büroarbeit leisten. Während Ergonomie und humane Arbeitsbedingungen in der industriellen Arbeitswelt bereits eine Tradition besaß, war die Bürolandschaft im Kontext der 1960er Jahre eine Reaktion auf die sich ankündigende Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft, deren Wertschöpfungen sich zunehmend von der industriellen Arbeit weg verlagerte. Die Kriterien der neuen Büroraumgestaltung entwickelten die Gebrüder Schnelle aus genauen Analysen der Arbeitsabläufe und aus dem Studium der Bewegungen sowie neuen Managementtheorien. Sie stellten sich beispielsweise die Frage, wann Projektgruppen sinnvoll sind, wann Einzelarbeit notwendig ist etc. Hierbei stützten sie sich auf die Vorarbeiten der im Zweiten Weltkrieg entwickelten Metawissenschaften, wie der Kybernetik und Systemtheorie, die sie im eigens hierzu gegründeten Verlag Schnelle publizierten, in dem beispielsweise die Schriften von Kurd Alsleben und Helmar Frank erschienen.

Mobiliar im Kommissionshaus Buch + Ton, Gütersloh, 1960/61 – ein Testraum für den Bertelsmann-Konzern:
Mobiliar im Kommissionshaus Buch + Ton, Gütersloh, 1960/61 – ein Testraum für den Bertelsmann-Konzern: "Trotz gewisser baulicher Mängel gut bewährt." / Foto: QT

Was können wir heute vom Konzept der Bürolandschaft angesichts digitaler Arbeitswelten lernen? Entstanden am Vorabend der Digitalisierung des Büros, sucht sie noch räumlich zu organisieren, was heute durch das Netz und die Vernetzung der Arbeit ganz unräumlich geschieht und praktiziert wird. Ist der Raum heute also noch eine Möglichkeit der Büroorganisation? Es lohnt sich, die Bürolandschaft als räumliches Modell neu und kritisch zu diskutieren, um sich der vergessenen Traditionen zu versichern, die mit ihr verbunden sind.

Die ARCH+ Redaktionsgruppe bei der Arbeit in der Bürolandschaft des Projektraums TMoYM in Kassel. / Foto: Fabian Lux

Ein zentrales soziales Anliegen der Bürolandschaft war die Hoffnung auf Humanisierung der Arbeit durch eine nicht hierarchische Raumorganisation. In der historischen Rückschau wollen wir nachfragen, ob die Idee der Humanisierung der Arbeit nichts weiter als ein von außen hineingetragener Traum war oder in welcher Form sie auch heute noch eine Möglichkeit der Büroorganisation sein kann.
 

 
   
Vorher: 74 Arbeitsplätze organisiert in Zellenform in einem Bürogebäude von DuPont de Memours & Co., Wilmington, USA, 1966/67   Nachher: Das QT schlug die Organisation des Raums als Bürolandschaft mit insgesamt 79 Arbeitsplätzen vor (beide Abb. aus dem oben genannten Buch)